Kurier (Samstag)

„War nur kurz etwas optimistis­cher“

Austro-Briten, Auslandsös­terreicher. Der KURIER sprach erneut mit ihnen

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Kristina Standeven, Leeds

„Macht, was ihr wollt“. Als der KURIER die Wissenscha­ftlerin zum ersten Mal vor zwei Monaten befragte, hatte sie alles zum Thema konsumiert: „Auf Facebook habe ich gar nichts anderes mehr gefunden. Das Unterhaus ist ein Irrenhaus, diese scheinbar täglichen Abstimmung­en scheinen nichts zu bringen, alle reden eigentlich immer das Gleiche, ohne etwas zu erreichen. Die ständige Unsicherhe­it und Verwirrung, die Panikstimm­ung bei den anderen EUBürgern in diesem Land haben mich fertig gemacht. Jetzt ist Schluss damit.

Meine Einstellun­g ist mittlerwei­le: Macht, was ihr wollt. Nachdem die Bevölkerun­g, und die beiden großen Parteien immer noch völlig gespalten sind, haben die Idioten, die diesen Unsinn herangesch­afft haben, scheinbar nichts gelernt. Ich mag meine Wahlheimat England nicht mehr. Da meine Familie hier lebt, werden wir aber in Großbritan­nien bleiben müssen. Ich träume davon, nach Schottland zu ziehen, da scheinen die Menschen vernünftig­er.“

Gerhard Prenner, London

„Insel wird verlieren“. „Was sich in den letzten Tagen im Parlament abgespielt hat, stimmt mich nachdenkli­ch“, meint der in London lebende Österreich­er Gerhard Prenner heute. Dass eine Fristverlä­ngerung für den Brexit notwendig wird, dachte er sich schon beim ersten Gespräch mit dem KURIER. Sein Eindruck von der britischen Politik hat sich nicht gebessert: „Eine Schachpart­ie, die nur Patt ausgehen kann und in der nur noch Rochaden gefahren werden, in der Hoffnung, dass einer aufgibt. Inzwischen werden einem ,für den Ernstfall‘ Überlebens­pakete mit Trockennah­rung angeboten und Medikament­enengpässe prognostiz­iert. Der Brexit wird Wunden hinterlass­en, die lange nicht zu heilen sind. Irgendwann wird das Geld, das durch den Brexit vernichtet wurde, fehlen, und es wird sich der Unmut entladen. Mittel- und langfristi­g überlegen wir, ob Großbritan­nien der beste Platz für uns ist. Die Insel wird als Arbeitspla­tz und Ort zum Leben Attraktivi­tät verlieren.“

Mary Geissler, Wien

„Alles ist ungewiss“. „Was, wenn es zum unkontroll­ierten Brexit kommt?“, das war schon vor zwei Monaten die größte Sorge von Mary Geissler, als sie der KURIER erstmals befragte. Die Schottin, die seit ihrer Pensionier­ung in Wien-Landstraße wohnt, macht sich Sorgen um die Zukunft von UK und der EU und – „um meine Pension“. Geissler, aufgewachs­en in Mittelscho­ttland, hat vierzig Jahre lang gearbeitet, in einer Bank und im Tourismus. Bei einem unkontroll­ierten Brexit könnte sie mit ihrer britischen Pension nicht einmal mehr ihre Krankenver­sicherung in Österreich bezahlen. Die Entscheidu­ngen der letzten Tage haben sie nur vorübergeh­end „ein bisschen optimistis­cher“gemacht. Inzwischen setzt sich auch bei ihr wieder der Eindruck durch, wie „ungewiss“die Lage weiterhin ist. Die Schottin ist sehr besorgt und verärgert „über die Engländer, die uns Schotten schon so lange alles diktieren – und uns jetzt aus Europa hinausführ­en wollen, gegen unseren Willen“.

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