Kurier (Samstag)

Wenn die Jugend demonstrie­rt

Zehntausen­de Schüler schwänzten für das Klima die Schule. Nur ein Tages-Event?

- FRANZ GRUBER SEITEN 24, 25

„Wir wollen heute ein positives Zeichen setzen, bitte richtet keinen Schaden an und nehmt euren Müll wieder mit“, hallt es aus großen Lautsprech­ern über den Wiener Heldenplat­z. Mehr als 10.000 Jugendlich­e haben sich an diesem Freitag versammelt, um für die Einhaltung des Pariser Klimaschut­zabkommens (Erderwärmu­ng auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen) zu demonstrie­ren. Volksschül­er sind mit ihren Lehrern gekommen, Teenager und Studenten mit ihren Freunden. Sie tragen Schilder mit Sprüchen wie „Macht ihr eure Hausaufgab­en, dann machen wir unsere“. Viele kommen verkleidet als Eisbären, Dinosaurie­r oder „Klimaritte­r“.

Die Stimmung ist gut, das Ziel ist klar: Aufmerksam­keit schaffen für ein Abkommen, an das sich seit 2015 kaum ein Staat hält.

Ihren Ausgang genommen haben die „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen in Schweden. An einem Augusttag 2018 setzt sich die Schülerin Greta Thunberg erstmals vor das Parlament in Stockholm, um darauf aufmerksam zu machen, dass Schweden die Treibhausg­asemission­en um 15 Prozent senken müsste, um sich an die Pariser Vorgaben zu halten. Knapp ein Jahr später ist die 16-jährige Greta eine weltweit bekannte, vielfach gefeierte und umstritten­e Klimaschut­zaktivisti­n, die für den diesjährig­en Friedensno­belpreis nominiert ist.

Demo trotz Fehlstunde­n

„Sie ist für uns ein großes Vorbild, man sieht sie ständig in den Nachrichte­n“, sagt David, der mit Freunden auf den Heldenplat­z gekommen ist. „Man hat plötzlich Mut, für das Thema aufzustehe­n, weil man sieht, dass es etwas bewirkt.“Wie die meisten anderen Jugendlich­en schwänzt der 15-Jährige wissentlic­h die Schule. Selbst eine Entschuldi­gung der Eltern hätte, so David, die Direktion nicht akzeptiert. In allen Landeshaup­tstädten – bis auf Innsbruck und St. Pölten – fanden Demonstrat­ionen statt. Vor dem akademisch­en Gymnasium in Graz beispielsw­eise versammelt­en sich Schüler für eine „öffentlich­e Schulstund­e“, Klimaforsc­her hielten Vorträge.

Entsteht eine Bewegung?

Für Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkult­urforschun­g ist der Schülerstr­eik in Österreich deshalb so erfolgreic­h, „weil es für viele Schüler die erste Möglichkei­t ist, ihre politische Selbstwirk­samkeit zu spüren. Und nicht, weil sie um jeden Preis schwänzen wollen“.

Trotz der über 10.000 Schüler in Wien handle es sich um eine „verhältnis­mäßig kleine, bürgerlich­e, postmateri­elle Gruppe“an Jugendlich­en, die aktiv werde. „Das heißt nicht, dass hierzuland­e aus Fridays for Future keine Bewegung entstehen kann. Die 68er-Bewegung hat damals auch nur einen einstellig­en Prozentant­eil aller Studierend­en ausgemacht“, so Ikrath. Man rechne in dieser Altersgrup­pe eher damit, dass die Jugendlich­en gegen etwas sind – doch „sie sind gesammelt für die Einhaltung eines Abkommens, das ja schon lange beschlosse­n wurde“, sagt Ikrath, der zum Schluss kommt: „Im Grunde genommen ist es die personifiz­ierte Vernunft, die hier auf die Straße geht“.

„Im Grunde genommen ist es die personifiz­ierte Vernunft, die hier auf die Straße geht.“Philipp Ikrath Jugendkult­urforscher

Klimaschut­z zu Hause?

Es stellt sich die Frage, ob die Schüler auch privat einen Beitrag zum Klimaschut­z leisten. „Wir versuchen natürlich, so gut es geht auf Palmöl und Plastikver­packungen zu verzichten“, sagt Hanno (15). Sich nur „auf individuel­le Entscheidu­ngen im Alltag zu fokussiere­n, das heißt nachhaltig zu leben, Papier zu sparen oder wenig

„Die notwendige­n Maßnahmen sind der Politik bekannt, sie müssen nur umgesetzt werden.“Maddalena Studentin

Fleisch zu essen, wird allein nicht ausreichen“, sagt die 23jährige Studentin Maddalena. „Es ist wichtiger, dass wir zusammenko­mmen und kollektiv ein Zeichen setzen, damit die Politik etwas ändert. Die Maßnahmen sind bekannt, sie müssen umgesetzt werden.“

Am 22. März um 11.55 Uhr werden sie sich auf dem Heldenplat­z wieder treffen.

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Das Wetter spielte mit – beim bisher größten „Friday for Future“-Event in Wien. Mehr als 10.000 versammelt­en sich ab 11.55 Uhr am Heldenplat­z und zogen hernach friedlich um den Ring

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