Kurier (Samstag)

Bauen fürs Bild

Tausende Fotos von Bauten werden täglich ins Internet geladen und erreichen ein Millionenp­ublikum. Wie die Bilderflut die Arbeit von Architekte­n verändert und wie Gebäude fotogen werden.

- VON BARBARA NOTHEGGER

warf BEHF daher den Eingang komplett aus Messing – ein Blickfang, der für Fotos geeignet ist. „Es werden heute viele Selfies dort gemacht“, sagt Ferenczy, „allerdings weiß man vorher nie, ob eine Idee wirklich so funktionie­rt.“Doch welche Bilder, welche Ausschnitt­e von Gebäuden gehen im Netz tatsächlic­h ab? Die Kunst der Architekte­n besteht darin, Orte überschaub­ar und wiedererke­nnbar zu gestalten. Ein Platz muss schnell erfassbar sein. „Es funktionie­rt nicht, eine Art Bilderrahm­en um einen Ort zu machen und darauf hinzuweise­n, dass hier Fotos gemacht werden können“, sagt BEHF-Chef Stephan Ferenczy, „Plätze müssen so inszeniert sein, dass das Massenpubl­ikum das Gefühl hat, schöne Fotomotive individuel­l zu entdecken.“Spektakulä­re Architektu­r macht es den Betrachter­n leicht, viele reizvoll wirkende Ansichten oder Details für Bilder zu finden, auch wenn man wenig Zeit zum Fotografie­ren hat. Bei etwas zurück- nehmender Architektu­r müssen sich die Betrachter etwas mehr mit einem Gebäude auseinande­rsetzen, um spannende Fotos zu schießen. „Es ist oft eine Frage der kon- zentrierte­n Aufmerksam­keit, Geduld und verfügbare­n Zeit, die interessan­ten Einstellun­gen zu finden und auf das richtige Licht warten zu können“, sagt die be- kannte Architektu­rfotografi­n Hertha Hurnaus (siehe auch Kasten nächste Seite).

Geschichtl­ich gesehen

wurde die Fotografie in der Architektu­r immer schon strategisc­h eingesetzt. Weil Gebäude nicht mobil sind und nur über Bilder verbreitet werden können. Star-Architekte­n engagierte­n seit jeher berühmte Architektu­rfotografe­n, um ihre Bauwerke ikonenhaft ablichten zu lassen. „Nur die Intensität hat sich in den vergangene­n Jahren verändert. Instagram beispielsw­eise ist ein wichtiges Kommunikat­ionsmittel für Architektu­r geworden“, so Angelika Fitz, Leiterin des Architektu­rzentrum Wien (AzW). Für das AzW eröffnet das Internet neue Kanäle: Fotowettbe­werbe

wickelt das Museum nur mehr über Instagram ab und nutzt die Nähe zu den Followern für kuratorisc­he Recherche. Angelika Fitz: „Im Vorfeld zur Ausstellun­g SOS Brutalismu­s haben wir unsere Follower dazu aufgerufen, Bauten des Brutalismu­s abzulichte­n, um so auf akut vom Abriss bedrohte Gebäude zu stoßen.“

Doch auch Architekte­n

selbst setzten die Neuen Medien gezielt ein, um ihre Arbeit zu präsentier­en. Dem britischen Stararchit­ekten Norman Foster folgen fast 400.000 Menschen auf Instagram, sein französisc­her Kollege Jean Nouvel bringt es auf 200.000 Fans. Auch österreich­ische Architekte­n sind auf Instagram aktiv, wenn auch in viel kleinerem Maße. Eines dieser Büros ist Franz & Sue in Wien. „Unser Instagram-Kanal erreicht die Architektu­rcommunity und junge Kollegen, die wir irgendwann vielleicht als Mitarbeite­r gewinnen wollen“, sagt Franz & Sue-Chef Michael Anhammer. Das Büro plant vor allem öffentlich­e Bauten wie Schulen. Orte, an denen eine Kamera nichts verloren hat. Dennoch hat die Arbeit von Architekte­n auch hier immer eine bildhafte Ebene. „Architektu­rwettbewer­be haben etwas mit Bildern zu tun. In der Umsetzung versuchen wir, dieses Bildhafte zu erhalten“, so Anhammer. Doch was, wenn der Hype um Instagram und die anderen Sozialen Medien dazu führt, dass nur mehr für Bilder und nicht mehr für die Nutzer gebaut wird? So abwegig ist die Überlegung nicht, wie andere beliebte Foto-Motive veranschau­lichen: Manche Köche etwa geben unumwunden zu, dass es egal ist, wie eine Speise schmecke, Hauptsache sie schaue gut aus und ließe sich gut fotografie­ren.

Die zwei Pole

aus Funktional­ität und Ästhetik sind auch in der Architektu­r altbekannt. Die Frage ist, welcher Teil überwiegt oder wie beide am besten in Einklang gebracht werden. BEHF-Chef Stephan Ferenczy: „Wenn ein Gebäude nur mehr gut aussieht ohne für die Nutzer zu funktionie­ren, wäre es eine Enttäuschu­ng.“Franz & Sue-Chef Michael Anhammer pflichtet bei: „Es geht nicht nur um einen Wow-Effekt, der kurzfristi­g wirkt. Eine Gebäude muss langfristi­g funktionie­ren und da zählen ganz andere Dinge, nämlich Geborgenhe­it und die Möglichkei­t zu realen Begegnunge­n“. Und ist das Reale nicht das einzig wirklich Relevante im Leben?

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Das Pool des Nobelhotel­s Bürgenstoc­k (Schweiz) war so beliebt für Schnappsch­üsse, dass die Hotel leitung das Fotografie­ren einschränk­te
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 ??  ?? Architektu­r-Fotografie: Hertha Hunaus gelang ein spektakulä­res Bild vom Wohnpark Alt-Erlaa von Harry Glück. Lukas Schaller fotografie­rt das neue Justizgebä­ude Salzburg von Franz & Sue
Architektu­r-Fotografie: Hertha Hunaus gelang ein spektakulä­res Bild vom Wohnpark Alt-Erlaa von Harry Glück. Lukas Schaller fotografie­rt das neue Justizgebä­ude Salzburg von Franz & Sue

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