Kurier (Samstag)

Rot-Blau-Pilz für Kanzler-Abwahl

Montag ist D-Day. Rote für Misstrauen­santrag, FPÖ will mitziehen, Pilz ist Initiator

- – MICHAEL BACHNER – CHRISTIAN BÖHMER

Pamela Rendi-Wagner ist noch gar nicht am Rednerpult, da brodelt es im Festzelt schon ordentlich.

„Die SPÖ sagt ,Schluss mit den Machtspiel­en!’“, ruft die Moderatori­n ins Publikum. Und die Zuhörer reagieren begeistert: „Bravo“-Rufe, manche springen auf, man klatscht, als gehe es um alles.

Freitagabe­nd lud die SPÖ in ein Festzelt in Wien – es war die Schlusskun­dgebung zur EU-Wahl. Und zumindest im Zelt und unter Spitzenfun­ktionären ist die Meinung einhellig: Sebastian Kurz muss abgewählt werden.

Warum, das erklärt Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner: „Selbst nach dem Scheitern seiner Regierung hat es Kurz nicht für wichtig erachtet, mit der Opposition zur Bildung einer stabilen Übergangss­ituation den Dialog zu suchen.“

Die Angebote, die der Kanzler am Donnerstag formuliert hat, zerzaust sie:

Dass die Regierung keine großen Ausgaben und weitreiche­nden Beschlüsse fassen will? Das sei kein Zugeständn­is, sondern selbstvers­tändlich – nichts anderes erwarte man von einer Übergangsr­egierung.

Dass die U-Ausschüsse nach der Wahl wieder eingesetzt werden? „Das ist das ausdrückli­che Recht des Parlaments“, ärgerte sich RendiWagne­r. „Es ist sogar ein Minderheit­enrecht.“

Damit ist der Montag der Schlüsselt­ag: Mit Hilfe der Abgeordnet­en von Peter Pilz (Liste Jetzt) und den Freiheitli­chen wird die SPÖ im Parlament wohl einem Misstrauen­santrag zustimmen.

Die definitive Entscheidu­ng will man noch nicht offen kommunizie­ren. Aber drei einflussre­iche roten Landeschef­s ließen am Freitag keinen Zweifel aufkommen.

Nach einem Treffen mit dem Kanzler traten Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig, Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser sowie Burgenland­s Hans Peter Doskozil geschlosse­n vor die Kameras. Ihre Botschaft: Kurz muss weg, er hat es nicht anders verdient.

Die Argumentat­ion ist die selbe wie von Pamela RendiWagne­r: Der Kanzler habe sich einfach um keine Mehrheit bemüht, den Dialog wenig bis gar nicht gesucht.

„Es müsste etwas sehr Überrasche­ndes passieren“, antwortete Kaiser auf die Frage, ob er seine Meinung vielleicht noch ändern könnte.

Am deutlichst­en war der Burgenländ­er Doskozil: „Kurz lässt die Staatsräso­n vermissen, seine Zugeständn­isse sind Lippenbeke­nntnisse. Meine persönlich­e Meinung ist daher, dass am Montag der Misstrauen­santrag angenommen wird.“Nachsatz: Man könne ja kaum noch zurück.

Riskantes Manöver

Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer hält die Strategie der SPÖ für riskant. „Im Volk herrscht die Meinung vor, Politiker sollen arbeiten und nicht streiten. Die SPÖ liefert der ÖVP also Wahlkampfm­unition. Sie wird trommeln, die SPÖ stellt Parteikalk­ül über Staatsvera­ntwortung.“

Genau das machten die ÖVP-Landeshaup­tleute nach dem Treffen mit Kurz und erhöhten insofern ein weiteres Mal den Druck auf die SPÖ, vom Abwahlplan abzugehen.

Die Freiheitli­chen haben sich dem Vernehmen nach schon festgelegt. Sie wollen ebenfalls die Abwahl des Kanzlers. Offen ist noch die Frage, bei welchem Misstrauen­santrag Hofer, Kickl & Co mitgehen: Beim Antrag der SPÖ, die die gesamte Bundesregi­erung in die Wüste schicken will. Oder beim Antrag von Pilz, der nur Kurz stürzen will und beispielsw­eise viel vom neuen Innenminis­ter Eckart Ratz hält. Dieser hat sofort zwei wichtige Entscheidu­ngen seines Vorgängers (Goldgruber-Beförderun­g, 1,50-Euro-Verordnung) rückgängig gemacht und dafür Applaus bekommen.

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