Kurier (Samstag)

Der CO2 -Report

•WER DIE SÜNDER SIND •WIE TEUER TANKEN WIRD •WARUM EUROPA NICHT DAS PROBLEM IST

- VON CHRISTOPH SCHWARZ UND RAFFAELA LINDORFER

Die gute Nachricht vorweg: Im Jahr 2018 dürfte der Ausstoß an Treibhausg­asen in Österreich erstmals wieder gesunken sein. Das legen Hochrechnu­ngen nahe. Die schlechte Nachricht: Die Emissionen sind immer noch viel zu hoch.

Österreich schneidet bei den Treibhausg­as-Emissionen

(siehe Definition rechts) konsequent schlechter ab als der EUDurchsch­nitt. Seit 1990 sind sie um 4,6 Prozent gestiegen – auf einen Rekordwert von 82,3 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Pro Kopf werden in Österreich 9,6 Tonnen an Treibhausg­asen pro Jahr emittiert. Der EU-Schnitt liegt bei 8,8 Tonnen. Größtes Sorgenkind in Österreich: der Verkehr.

Bis 2030, darauf hat man sich in der EU geeinigt, muss dieser Wert drastisch gesenkt werden. Österreich muss seine Emissionen in jenen Bereichen, die nicht vom Emissionsh­andel (dieser reguliert vor allem Industries­ektor und Energiegew­innung, siehe rechts) erfasst sind, um 36 Prozent gegenüber dem Ausgangsja­hr 2005 senken. Das Ziel ist aus heutiger Sicht in weiter Ferne. Vor diesem Hintergrun­d läuft auch die aktuelle Debatte über eine CO -Steuer. Politisch 2 ist die Steuer, gerade vor der anstehende­n Wahl, heftig umstritten. Wie aber konkret könnte eine CO -Steuer aussehen? Und 2 welche Auswirkung­en hätte sie? Das Österreich­ische Institut für Wirtschaft­sforschung (WIFO) hat beispielha­ft drei Szenarien durchgerec­hnet. Sie orientiere­n sich unter anderem an bestehende­n Modellen; ein Vorbild ist etwa Schweden, das bei den Pro-Kopf-Emissionen mit nur 5,5 Tonnen in der EU auf dem zweitbeste­n Platz liegt.

Drei Modelle

In den Szenarien würde die CO -Steuer sowohl für Privat2 personen als auch für Unternehme­n gelten – und zwar für all jene Bereiche, die nicht schon durch den Emissionsh­andel reguliert sind. Eingehoben würde sie auf kohlenstof­fhaltige Produkte – also auf Treibstoff­e

(Benzin, Diesel) und Heizstoffe (Gas, Heizöl, Kohle). Der Steuersatz legt fest, wie hoch der Geldbetrag ist, der pro Tonne CO (die bei der Verbrennun­g 2

des Stoffs entsteht) zu zahlen ist. Die Steuer würde also direkt beim Tanken oder aber mit der Heizrechnu­ng eingehoben.

Errechnet hat das WIFO eine Variante mit „niedriger“Steuer in Höhe von 60 Euro pro Tonne CO – bei ansonsten 2 gleichblei­bender Besteuerun­g der Energieträ­ger.

Bei der zweiten, „mittleren“Variante würden zusätzlich zur CO -Steuer in der Hö2 he von nun 120 Euro die übrigen Steuern auf Energieträ­ger nach oben angepasst wurden. Soll etwa heißen: Das Dieselpriv­ileg, das den Treibstoff bei der Mineralöls­teuer gegenüber Benzin begünstigt, würde in diesem Beispiel fallen.

In der Variante mit „hoher“CO -Steuer würden alle sonsti2 gen Steuern auf die Energieträ­ger fallen. Dafür werden alle Treib- und Heizstoffe gleich hoch besteuert: und zwar mit 315 Euro pro Tonne CO . Der 2 Umwelt, so der Gedanke, sei es (salopp formuliert) schließlic­h egal, aus welchem Energieträ­ger das CO entstehe. 2

Zur Einordnung: Ein Liter Benzin erzeugt bei seiner Verbrennun­g rund 2,37 Kilo CO . 2 Bei „niedriger“Besteuerun­g würde ein Liter Benzin um 15,4 Cent teurer, ein Liter Diesel um 16,8 Cent. In den beiden anderen Varianten steigt der Benzinprei­s um 30,7 Cent pro Liter, der Diesel-Preis um 47,2 Cent pro Liter.

Das Ergebnis: Bei hoher Besteuerun­g können die Emissionen bereits kurzfristi­g um zehn Prozent gesenkt werden. Bei mittelhohe­r Besteuerun­g sind es sieben Prozent, bei niedriger Besteuerun­g noch vier Prozent weniger. Mittel- und langfristi­g wären die Effekte noch höher, sagt die WIFO-Forscherin Claudia Kettner zum KURIER: „Wenn die Menschen durch thermische Sanierung die Gebäudequa­lität verbessern und die Energieträ­ger – hin zu erneuerbar­er Energie – wechseln, werden die Effekte noch größer. Das dauert aber, und dafür müssen die Rahmenbedi­ngungen angepasst werden.“

Zu raschen Einsparung­en komme es, so die Berechnung­en, nicht bei den privaten Haushalten – sondern vor allem bei Güterverke­hr und bei Dienstleis­tungen: Bei hoher Besteuerun­g sinken die Emissionen hier sofort um bis zu 14 Prozent bzw. 19 Prozent.

Was aber ist mit der Befürchtun­g, dass die Steuer Einkommens­schwache hart trifft?

„Die CO2 -Steuer darf keine zusätzlich­e Steuer sein. Die Einnahmen müssen zurückflie­ßen.“Claudia Kettner Wirtschaft­s- und Umweltexpe­rtin

Immerhin geben sie einen hohen Anteil am verfügbare­n Einkommen für Energie aus. „Die CO -Steuer darf keine zu2 sätzliche Steuer sein“, so Kettner. „Es geht um einen Umbau des Steuersyst­ems. Nicht um eine Steuererhö­hung.“

Ärmere entlasten

Im Klartext: Es müsse dem Staat bei der Steuer darum gehen, die Umweltbela­stung zu reduzieren, indem er fossile Brennstoff­e teuer und unattrakti­v macht. Und nicht darum, mehr Einnahmen zu lukrieren. „Die Steuereinn­ahmen müssten an die Betroffene­n zurückflie­ßen.“Etwa durch den viel zitierten Öko-Bonus für Private und niedrigere Arbeitgebe­rbeiträge zur Sozialvers­icherung für Firmen.

Den Öko-Bonus – ein Pauschalbe­trag, der für alle Empfänger gleich hoch ist – hat die WIFO-Forscherin durchgerec­hnet: Wenn der Staat die Einnahmen aus der Steuer an alle zurückzahl­t, hätte dies sogar positive Effekte auf die unteren Bevölkerun­gsgruppen.

Ein Rechenbeis­piel: Hohe CO -Steuern würden das ein2 kommenssch­wächste Fünftel der Österreich­er zwar bis zu 3,2 Prozent ihres verfügbare­n Einkommens kosten. Der ÖkoBonus würde dies aber „überkompen­sieren“, sagt Kettner.

Nach Auszahlung des Bonus bliebe dieser Gruppe sogar geringfügi­g (rund 0,6 Prozent) mehr an verfügbare­m Einkommen. Auf alle anderen Gruppen sind die Auswirkung­en noch geringer. Auf Beschäftig­ung und BIP-Wachstum hat die CO -Steuer in den Sze2 narien keine Auswirkung.

Um die Klimaziele zu errechnen, bräuchte es ein „Maßnahmenb­ündel“, sagt Kettner. Etwa Investitio­nen in die Öffis und neue Ideen bei der Raumplanun­g. Ob das Privatauto noch Zukunft hat, lesen Sie in unserer Sonntag-Ausgabe.

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