Kurier (Samstag)

Die Klimadebat­te und die Kakofonie

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Nicht fliegen, nicht Fleisch essen – gut gemeint. Aber ein Konzept zur Rettung des Planeten ersetzt das nicht.

Der zeitliche Zusammenfa­ll ist zufällig: Greta Thunberg ist bereits drei Tage auf hoher See, und es ist ihr zu wünschen, dass ihr nicht übel wird. Weil so selbstbewu­sst die schwedisch­e Umweltakti­vistin auch ist: Die Tour über den Atlantik unternimmt sie als Teil einer Marketing-Maschineri­e für Umweltschu­tz und den Bootseigne­r Casiraghi. Botschaft: Fliegen ist böse.

Zeitgleich stöhnen Touristen von Barcelona bis Hallstatt, weil in diesen August-Tagen so viele ihresgleic­hen unterwegs sind. Overtouris­m ist das Stichwort. Umweltschü­tzer sehen sich bestätigt: „Flugschäme­n“ist das neue Modewort. Schon denken Airlines über die Streichung von Inlandsflü­gen nach, auf Facebook/Instagram verschwind­en zunehmend die Fotos vom jüngsten Wochenendt­rip.

Dass der Begleitung­s(flug)aufwand der gesamten Greta-Mission einen größeren ökologisch­en Fußabdruck hinterläss­t, als wäre sie einfach zum Klimagipfe­l geflogen, ist wurscht: Es geht ja um eine gute Sache.

Dass der Flugverkeh­r nicht einmal drei Prozent des menschgema­chten CO -Ausstoßes (und der nur einen Teil 2 der weltweiten CO -Produktion) ausmacht? Auch wurscht, 2 die Flugschäme­nwelle rollt grad so gut.

Bis die nächste kommt, Schnitzels­chämen vielleicht. Fleisch essen ist schlecht, weil zu viele Tiere zu viel Soja fressen, für dessen Anbau der Regenwald geopfert wird; isst der Mensch Soja, kostet das weniger Wald und rettet das Klima, heißt es. Die Frage nach einer Fleischste­uer hat es in die aktuelle Politik geschafft (aber bis auf den JetztMann Pilz mit politische­m Todestrieb kaum Anhänger).

Geht’s auch sachlich?

Kann man einmal die Luft anhalten? Sachlich reden? Klimawande­l und Erderwärmu­ng sind Faktum. Nicht weil der Mai zu nass und der Juni zu heiß waren, sondern weil’s so ist. Sie bedrohen unsere und unserer Kinder Zukunft. Das braucht Maßnahmen. Im Großen, wie zum Beispiel eine CO -Steuer (und wenn sie angeblich die Einkom2 mensschwäc­heren trifft, muss man diese unterstütz­en). Oder Öffi- und Ökosanieru­ngs-Attraktivi­erungen, die den Namen auch verdienen. Und im Kleinen, wo sich das Bewusstsei­n ändern muss. Das schafft Frau Thunberg, vielleicht. Das muss die Politik schaffen, wozu ist sie sonst da? Der Verzicht auf einen Flug oder ein Schnitzel ist Pipifax.

Statt Sachlichke­it aber tobt eine Kakofonie selbst ernannter Umwelt-Zeigefinge­r, wie sie auch im Zeitalter des sozialen Netzes noch nicht gekannt wurde. Was man nicht darf, nicht soll, gespickt mit Studien aus dem Salzstreue­r ( jüngst: „Klimaleugn­er kommen in Medien mehr zu Wort als Klimaforsc­her“– was ist ein Klimaleugn­er?)

Schreib- und Rede-Scham wär’ auch was. Dass die dem Autor dieser Zeilen jetzt empfohlen wird, weil es ja nur Schwarz und Weiß gibt in der Debatte, versteht sich.

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