Kurier (Samstag)

Pauline büßte für die Nazis in der Familie

Spurensuch­e im heutigen Slowenien, wo Partisanen die Tante des Autors verschlepp­ten

- – P. PISA

Martin Pollack hat den Kampf gegen die Zeit gewonnen. Doch, doch, das hat er.

Da mag der Übersetzer und Schriftste­ller 75 sein und krank ... aber mit seinem dokumentar­ischen Erzählen hat er so vieles vor dem Vergessenw­erden bewahrt wie kaum ein Zweiter.

Oft vereitelte Pollack, was die Mörder wollten – egal, ob Nazis oder Kommuniste­n: Sie wollten ihre Opfer zum Verschwind­en bringen.

Wenn möglich, hat er den Toten Namen und Geschichte zurückgege­ben.

Immer hat er an die Verbrechen erinnert, auch wenn die Täter in der eigenen nationalso­zialistisc­hen Verwandtsc­haft saßen. Vor allem über den Vater, ein SS-Offizier, der 1943 in Slowenien versteckte Juden jagen ließ, hat er geschriebe­n.

Martin Pollack sagt: Diese Verbrechen dürfen nicht kleingered­et werden, weil man sich sonst selber schuldig macht.

Bei „Die Frau ohne Grab“war es insofern schwierige­r, denn wenn es um Partisanen in Ex-Jugoslawie­n geht, gerät man in Verdacht, deren Verbrechen mit jenen der Deutschen aufrechnen zu wollen.

Pollack ist überzeugt, dass man heute alle Geschichte­n erzählen kann. Muss. Ohne Zorn. Ohne Eifer.

Am Fenster

Großtante Pauline war eine Altösterre­icherin, geboren in Tüffer (slowenisch Laško), als der Ort – bis 1918 – zur Steiermark gehörte. Sie blieb, als die Hitlertrup­pen wüteten und war mit einem Slowenen verheirate­t. Als die Herren wechselten, wurde Pauline von den Partisanen ins Schloss Hraskovec, dem provisoris­chen KZ für Staatsfein­de, verschlepp­t. Wo die 70-Jährige starb.

Pollack hat nicht mehr alles über sie erfahren können. Lange glaubte er, sie wäre eines natürliche­n Todes gestorben. In Laško fand er Menschen, die Pauline kannten. Die sie zur Hälfte kannten: Meist sah man sie nur daheim am Fenster stehen,

Ausgerechn­et Pauline, die keine überzeugte Nationalso­zialistin war und in der Familie deshalb eine Außenseite­rin, büßte.

Auch wenn es kein Grab gibt: Der Roman ist ihr Grabstein.

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Alle Geschichte­n kann / muss man heute erzählen: Martin Pollack
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Pollack: „Die Frau ohne Grab“Zsolnay Verlag. 184 Seiten. 22,70 Euro. KURIER-Wertung:
Martin Pollack: „Die Frau ohne Grab“Zsolnay Verlag. 184 Seiten. 22,70 Euro. KURIER-Wertung:

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