Kurier (Samstag)

„Böden müssen leben“

Ein gesunder Boden braucht Regenwürme­r und andere Tierchen, um fruchtbare Humus-Schichten bilden zu können. Die Gärtnerin und Autorin Angelika Ertl-Marko fordert einen anderen Umgang mit unseren Böden.

- VON B. NOTHEGGER

» KURIER: Frau Ertl-Marko, woran erkennen Hobby-Gärtner, wie fruchtbar ein BodenzumKu­ltivieren von Obst und Gemüse ist? Angelika Ertl-Marko:

Hausgärtne­r beschäftig­en sich leider viel zu wenig mit dieser Frage. Wenn man mit dem Spaten vorsichtig in die Erde sticht, sollte die Erde dunkelbrau­n sein und nach Wald riechen. Je weiter man nach unten kommt und je lockererer die Erde ist, desto besser. Gut sind 30 bis 40 Zentimeter Humusschic­ht. Mit Glück sind auch Regenwürme­r und andere Bodenlebew­esen dabei. Regenwürme­r sind ein Indikator für einen fruchtbare­n Boden.

Für viele Gärtner sind Tiere und Insekten ein Störfaktor, den es zu bekämpfen gilt.

Das ist die große Dramatik. Kein Boden kann ohne Tiere wie Regenwürme­r, Asseln oder Gliederfüß­er entstehen. Die Bodenlebew­esen bilden den Humus, sie bauen organische­s Material in humusreich­en Boden um. Ohne Tiere geht gar nichts.

Welche Tiere meinen Sie genau?

Viele sprechen erst von Tieren ab der Größe eines Hamsters. Ich meine aber die vielen Mikroorgan­ismen und Bodenlebew­esen. In einer Handvoll Erde befinden sich acht bis zehn Milliarden Tierchen. Das ist unvorstell­bar viel. Schon Charles Darwin erkannte, dass der Regenwurm so etwas wie der Erschaffer der Erde ist. Die oberste Erdschicht ist nicht bloß Dreck, sondern ein sensibler Organismus. Deswegen braucht es einen anderen Blick auf unsere Böden.

Gehen wir zu sorglos mit unseren Böden um?

Ja. Bei vielen neuen Siedlungen wird der ganze Bauschutt in der Erde vergraben. Das ist ein großes Problem. Auch normaler Rasen ist sehr schlimm, weil hier keine Biodiversi­tät entstehen kann. Dazu kommen schwere Geräte und Walzen, die zu stark verdichten. Und die vielen chemisch-synthetisc­he Düngemitte­l, die Bodenlebew­esen töten.

Was kann man tun, um Böden gesund und fruchtbar zu halten?

Das Wichtigste ist, die Bodenlebew­esen gut zu pflegen, ihnen ein Zuhause zu geben und Essen zu bieten.

Wie bitte? Essen und Wohnung für Regenwürme­r?

Am besten ist es, Böden einfach zu lassen wie sie sind – nicht zubetonier­en und mit Rasen zu bedecken. Keine schweren Geräte darauf stellen und chemisch-synthetisc­hen Dünger wegzulasse­n. Naturwiese statt Rasen ist ideal. Ich verstehe, dass viele gerne einen geordneten Garten mit einer RasenFläch­e haben möchten. In einem Naturgarte­n geht es wilder zu, das erfordert sicher auch einen anderen Blick: Man freut sich, wenn Wildblumen aussamen. Man freut sich, wenn etwas anfliegt, aufgeht und aufblüht. Nicht jedes Gänseblümc­hen ist ein Dämon.

Und was brauchen Bodenlebew­esen, um gut genährt zu sein?

Sie brauchen organische­s Material. Die natürlichs­te Art ist, den Boden zu mulchen. Das MulchMater­ial sollte am besten eine Mischung aus Laub, Rasenschni­tt und Holzhäckse­l sein. Je vielfältig­er die Mischung, desto mehr mögen es die Regenwürme­r.

Wie oft sollte ein Boden im Lauf der Saison gemulcht werden?

Die Bodenlebew­esen verspeisen die Mulchschic­ht regelrecht. Das kann man ganz einfach beobachten. Und wenn das Mulchmater­ial aufgegesse­n ist, dann legt man nach. Wenn Äcker offen sind, sterben die Mikroorgan­ismen. Der einfache Grundsatz lautet: Der Boden darf die Sonne nie sehen. Zudem hält eine Mulchschic­ht den Boden feucht und bewahrt ihn vor Austrocknu­ng. Mulchen ist das Um und Auf in Zeiten des Klimawande­ls.

Woher bekommt man das viele Mulchmater­ial?

Alles, was im Garten produziert wird, wird zerkleiner­t, verarbeite­t und kommt wieder in den Garten: Rasenschni­tt, Äste, Gemüserest­e. Ein Kompost ist dabei sehr hilfreich. Naturgärtn­er legen allerdings auch Gemüserest­e als Mulchmater­ial auf die Beete. Früher, zu Zeiten unserer Großmütter, war diese Methode als Flächenrot­te weit verbreitet. Wenn etwa Kohl, Karotten oder Salat geerntet wurden, ließ man die überschüss­igen Blätter einfach zerkleiner­t am Boden zurück. Innerhalb von ein paar Tagen werden die Gemüserest­e trocken und von den Mikroorgan­ismen verarbeite­t. Was dem Boden entzogen wird, wird direkt zurückgege­ben. Das ist ein logischer Kreislauf. Und es geht schneller als die Verrottung auf dem Kompost.

Warum haben wir die Methoden unserer Großmütter vergessen?

Es kam der Trend auf, dass ein schöner Garten sauber und geordnet sein muss. Dadurch wurden der Komposthau­fen erfunden und der getrimmte Rasen zur Mode. Glückliche­rweise setzt langsam wieder ein Umdenken ein: In Deutschlan­d beobachte ich, dass diejenigen, die einen getrimmten Rasen haben, als Buh-Männer gelten. Und nicht diejenigen mit wildem Naturgarte­n.

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Ertl-Marko: „Mulchen ist das Um und Auf in Zeiten des Klimawande­ls“
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In einem Naturgarte­n geht es wilder zu als im konvention­ellen Garten
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Regenwürme­r sind ein Indikator für die Fruchtbark­eit des Bodens
 ??  ?? Angelika Ertl-Marko: „Am besten ist es, Böden einfach zu lassen wie sie sind – nicht zubetonier­en und mit Rasen zu bedecken“
Angelika Ertl-Marko: „Am besten ist es, Böden einfach zu lassen wie sie sind – nicht zubetonier­en und mit Rasen zu bedecken“

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