Feuriges Spektakel, wenig zündende Töne
Kritik. Rammsteins Zündler-Zirkus im Wiener Ernst-Happel-Stadion
Es ist so heiß, dass der Schweiß blitzartig aus den Poren tritt. Rammstein stehen nach zwei Dritteln ihrer Shwo auf der Bühne des Wiener Ernst-Happel-Stadions, sind während der ersten von zwei ausverkauften Shows bei „Du hast“angekommen. Dabei schießen zehn Meter hohe Stichflammen vor und hinter der Bühne in die Luft und von vier Türmen im Zuschauerraum über die Köpfe des Publikums.
Klar, das ist, was man zuerst von einer RammsteinShow erwartet: Eine Leistungsschau der Pyrotechnik. Die bekamen die 50.000 Fans. Es gab Explosionen nach dem Intro mit der „Feuerwerksmusik“von Georg Friedrich Händel. Danach glitzernde Funken-Vorhänge, Flammenwerfer auf den Armen der beiden Gitarristen Richard Kruspe und Paul Landers, eine Flammen-Kanone, mit der Sänger Till Lindemann bei dem KannibalenSong „Mein Teil“Keyboarder Christian „Flake“Lorenz in einem Hexenkessel grillte. Einen überdimensionalen Kinderwagen steckte er bei „Puppe“aus dem neuen Album „Rammstein“in Brand.
DJ-Pult
Es gab aber auch interessante Show-Effekte, die ganz ohne Feuer und Flammen auskamen. Kruspe bestieg einen Aufzug, der an einem das Stadiondach überragenden Turm am hinteren Bühnenrand angebracht war und steuerte während des Hochhievens vom dortigen DJ-Pult aus eine Remix-Version von „Deutschland“. Natürlich gab es diesen Song dann auch noch wie gewohnt mit dröhnenden Gitarren. Schließlich war das die erste Single aus „Rammstein“, dem ersten Album seit zehn Jahren.
„Damit wollen wir zeigen, dass wir auch musikalisch in der ersten Reihe stehen“, hatte Kruspe im KURIER-Interview erzählt. Denn das sei wegen der Zündler-Exzesse in in den Hintergrund getreten. Live waren von den acht gespielten neuen Songs in Wien aber nur „Zeig dich“und die Ballade „Diamant“, die halb akustisch dargeboten wurde, Highlights. Zu sehr glichen die anderen in den harmonischen Strukturen den bekannten Hits. Dass der erste Teil ein paar Längen hatte, lag aber auch daran, dass das Sextett nicht so inspiriert wirkte, wie man es in Wien zum Beispiel 2016 beim „Rock In Vienna“auf der Donauinsel gehört hatte.
Auch jetzt, wo es ins Finale geht, klingen die Berliner wie eine höchst professionelle Maschine, die mechanisch ihr Ding abspult, nicht aber wie Musiker, die jeden Ton, den sie produzieren, lieben. Sänger Till Lindemann ist gut bei Stimme, drischt sich halb gebückt auf den Oberschenkel, wenn die Gitarren brutal loshacken, und dirigiert die Massen, wenn es Passagen zum Mitsingen gibt.
Sakral
Dann kommt der absolute Höhepunkt: Auf einer Satellitenbühne inmitten des Publikums singen sie ihren Klassiker „Engel“– in einer sakralen Chor-Version, begleitet von den beiden Pianistinnen des Duos Jatekok, das das Vorprogramm bestritten hatte. Danach trägt sie das Publikum in einem Schlauchboot zurück auf die Hauptbühne.
Und natürlich darf bei „Pussy“der schon traditionelle Ritt von Till Lindemann auf der „Penis“-Kanone nicht fehlen, aus der weißes Konfetti spritzt. „Let’s do it“, sagt er, bevor er aufsteigt, deutet damit an, dass er die Show auch ein bisschen selbstironisch sieht. Auch als Keyboarder Lorenz in einer clownesken Einlage Lindemann von der Bühne stieß, nachdem der ihn im Hexenkessel gegrillt hatte, blitzte Humor auf.
Doch das konnte den Eindruck nicht verwischen, dass Rammstein dieses Konzert routiniert und allzeit perfekt, aber nicht engagiert gespielt haben. In Verbindung mit der Feuersbrunst war’s spektakulär, die Musik alleine hätte aber nur wenige prickelnde Momente gehabt. Weshalb Rammstein am Ende doch wieder eher wegen der Show in der ersten Reihe standen.