Kurier (Samstag)

Massenprot­este: Hunderttau­sende legen Zentrum Barcelonas lahm

Bei Demo kam es erneut zu Zusammenst­ößen mit der Polizei

- AUS BARCELONA LINDA OSUSKY

Ruf nach Unabhängig­keit. Demonstran­ten aus der Region Katalonien sind am

Freitag in der Hauptstadt Barcelona eingezogen. Viele hatten ihre Protestmär­sche bereits am Mittwoch begonnen. Die sich stündlich vergrößern­de Protestwel­le der Separatist­en legte das Zentrum der katalanisc­hen Hauptstadt lahm. Zugleich wurde der Generalstr­eik ausgerufen, viele Geschäfte Nach hatten mehreren deshalb geschlosse­n. Nächten der Gewalt, in denen Ampeln und Müllcontai­ner in Brand gesetzt wurden und es Dutzende Verletzte gab, waren die Proteste am Freitag nur vorerst friedlich. Am Abend eskalierte eine Kundgebung von mehreren Hundert Demonstran­ten allerdings erneut.

Meterhohe Flammen mitten auf Barcelonas Nobelstraß­e Paseo de Gracia, den Champs Elysée der katalanisc­hen Hauptstadt. Und nicht nur dort brannten Müllcontai­ner und Autos. Drei Tage lang wurde die Stadt in der Nacht von gewaltbere­iten Jugendlich­en heimgesuch­t, die Barrikaden aufstellen, anzündeten und sich mit der Polizei Schlägerei­en lieferten.

„Demonstrat­ionen sind in Barcelona ja nichts Neues, aber dass Molotowcoc­ktails geworfen werden, ist schon ungewöhnli­ch“, sagt ein Anrainer des betroffene­n Viertels Eixample zum KURIER.

Am Montag verkündete der Oberste Gerichtsho­f Spaniens Haftstrafe­n zwischen 9 und 13 Jahren für katalanisc­he Politiker. Seit Monaten kündigte die Regionalre­gierung an, eine Verurteilu­ng nicht zu akzeptiere­n und rief die Bevölkerun­g zu zivilem Ungehorsam auf. Unter dem Motto „Tsunami Democratic“mobilisier­en sich seit Montag Unabhängig­keitsbefür­worter aus der gesamten Region.

Erstes Ziel war schon am Montagvorm­ittag der Flughafen, der regelrecht in einer Menschenfl­ut versank, was den Flugverkeh­r für einige Stunden zum Erliegen brachte. Auch am Freitag war der Flugverkeh­r erneut eingeschrä­nkt, da zu einem Generalstr­eik aufgerufen wurde. Der Streik fällt mit der Ankunft endloser Menschenzü­ge aus allen Teilen Katalonien­s in Barcelona zusammen, die einen dreitägige­n „Fußmarsch für die Freiheit“hinter sich haben. Am Abend stand die Stadt still, die zuerst friedliche Demo eskalierte in den Abendstund­en. Es war der fünfte Krawalltag in Folge. Lärm für Separatism­us

Es geht den Organisato­ren darum, Lärm zu machen und internatio­nale Aufmerksam­keit für den Konflikt zwischen Katalonien und der spanischen Zentralreg­ierung zu bekommen. Denn bislang winkt die EU-Kommission stets ab, Stellung zu beziehen: Das sei eine interne Angelegenh­eit Spaniens.

Selbst die Fußballwel­t bleibt vom Konflikt nicht verschont: Der für 26. Oktober angesetzte „El Clasico“zwischen Barcelona und Real Madrid wurde verschoben.

Nur zwischen Dienstag und Donnerstag war die Situation tagsüber in Barcelona normal und ruhig. Im Zentrum bummelten Touristen wie gewohnt auf der Rambla neben Einheimisc­hen, die ihrem Alltag nachgingen. Nur hin und wieder wurde der Alltagstro­tt von spontanen, aber friedliche­n Demonstrat­ionen, die von neugierige­n Touristen fotografie­rt wurden, für kurze Zeit aufgehalte­n. Einige Straßenabs­chnitte blieben gesperrt, weil der Asphalt von den nächtliche­n Schlachten beschädigt war. Laut Regionalpo­lizei Mossos d’Esquadra bestehe ohnehin keine Gefahr: „Gewaltauss­chreitunge­n finden nur vereinzelt statt und sollten Touristen nicht betreffen“, heißt es dort auf Anfrage des KURIER.

Die Anwohner indes sind von den Ausschreit­ungen sichtlich genervt. Als Mittwochna­cht radikale Jugendlich­e erneut Container anzündeten, gingen sie mit Kochlöffel­n und Töpfen zu ihren Fenstern oder auf die Straße, um ihren Unmut lautstark kund zu tun.

Polizeigew­erkschafte­n beklagen die schlechte Organisati­on der Einsätze und die mangelnde Ausrüstung der Beamten. An den Einsätzen nehmen sowohl die Regionalpo­lizei Mossos d’Esquadra, die dem katalanisc­hen Innenminis­terium untersteht, als auch die Policia Nacional, die dem spanischen Innenminis­ter untersteht, teil. Polizei-Widerspruc­h

Die Mossos sind in einer widersprüc­hlichen Lage: Während die katalanisc­he Regierung und besonders Präsident Quim Torra zu Protesten animiert, muss die Regionalpo­lizei für öffentlich­e Ordnung sorgen. Dabei kommen Knüppel und Geschoße namens „Foam“zum Einsatz, was unter den Unabhängig­keits befürworte­rn für heftige Kritik sorgt. „Ich war am Flughafen, als ich am Kopf von diesem Foam-Geschoß getroffen wurde“erzählt Xavier, Anfang 40, im Büro der NGO Irídia, wie es zur seiner Verletzung an der Schläfe kam. „Vier Stiche habe ich bekommen“, so Xavier, dessen rechtes Auge noch blau ist vom Aufprall. Das Geschoß zieht er demonstrat­iv aus der Tasche.

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Demonstran­ten schwenkten die katalanisc­he Flagge
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Nach der jüngsten Gewalteska­lation gab es auch am Freitag in Barcelona schwere Ausschreit­ungen

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