Handelsmitarbeiter: Ruf nach 4,4 Prozent mehr Gehalt
Arbeitgeber sind schon vor der ersten KV-Runde irritiert. Sie bezeichnen die Forderungen als „realitätsfremd“.
Geht es nach dem Gewerkschafter Martin Müllauer, sollte jeder 100 Euro mehr aufs Gehaltskonto bekommen. Zumindest jeder Handelsangestellte.
Mit dieser Forderung geht die Gewerkschaft GPA-djp kommenden Dienstag in die Kollektivvertragsverhandlungen. Auf Vollzeitbasis entspricht ihre Forderung einer durchschnittlichen Gehaltserhöhung in Höhe von 4,4 Prozent (je nach Einkommensklasse zwischen 2,1 und 6,1 Prozent). Damit befinden sich die Forderungen in etwa auf der selben Höhe wie jene der Metaller, die aktuell 4,5 Prozent Plus für ihre Beschäftigten durchsetzen wollen.
„Für die Arbeitgeber hat es auch etwas Positives, wenn sie uns diesen Hunderter geben“, meint Müllauer, auch Betriebsratsvorsitzender bei Morawa. Die Kaufkraft steige, die Umsätze im Handel würden angekurbelt, so seine Rechnung. Aus Sicht der Handelsvertreter geht diese so freilich nicht auf.
428.000 Betroffene Entsprechend auch die Antwort von Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller auf die Forderungen. Sie seien „überzogen und realitätsfremd“, poltert er. Schließlich geht es hochgerechnet auf die gesamte Branche um viel Geld. Der Handel beschäftigt viele Menschen, rund 413.000 Handelsangestellte und 15.000 Lehrlinge sind vom Ausgang des Dienstagmittag startenden Gehaltspokers betroffen. Knapp zwei Drittel der Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel ist die Quote sogar noch höher.
Die Arbeitgeber sind schon vor Beginn der offiziellen Verhandlungen irritiert, weil ihnen die Gewerkschaft über die Medien ihre monetären Forderungen ausrichten lässt. Ein Novum. Bisher hatte Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller schließlich immer hinter verschlossenen Türen erfahren, was auf der Forderungsliste steht. Klassenkampf
Weniger außergewöhnlich ist, dass zwischen den Vorstellungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine große Lücke klafft.
Im Gegensatz zu den Gewerkschaftern sind die Händler nicht der Meinung, dass es wirtschaftlich bergauf geht. So zieht der Handelsverband auch pünktlich zum Verhandlungsstart eine Studie aus der Schublade, laut der sich die Verbraucherstimmung eintrübt – und mit ihr die Konjunkturaussichten.
Die Kundenfrequenzen gehen vielerorts zurück, Kaufkraft fließt auf Konten ausländischer WebShops ab. Es gebe also nicht viel zu verteilen, wie die Gewerkschaft denkt, so die altbekannte Botschaft der Arbeitgeber.
Der Druck auf die Händler steigt, der auf die Beschäftigten ebenso. Oft stehen Filialarbeiter allein im Geschäft, was das Stresslevel steigert. Aus Sicht der Gewerkschaft in untragbare Höhen. Deswegen fordert sie drei zusätzliche Freizeittage, „um den Handelsangestellten die notwendige Zeit zur Erholung zu sichern“. Außerdem soll künftig jeder Handelslehrling 130 Euro Schulstartgeld vom Arbeitgeber bekommen. Wie viel davon umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Peter Buchmüller hofft „auf ernsthafte, lösungsorientierte Gespräche“.