Kurier (Samstag)

Warum sich Flaniermei­len rentieren

Studie. Verkehrsbe­ruhigte Geschäftss­traßen bringen mehr Umsatz, zusätzlich­e Jobs und Extra-Steuereinn­ahmen

- VON STEFANIE RACHBAUER (TEXT) UND CHRISTA BREINEDER (GRAFIK)

Reine Geldversch­wendung. Sinnlose Behübschun­g. Bloß ein Denkmal für die Politiker. So oder so ähnlich lauten die negativen Reaktionen, wenn in Wien Einkaufsst­raßen umgebaut werden.

Sei es die Neulerchen­felder Straße in Ottakring, die gerade breitere Gehsteige bekommen hat. Oder die Rotenturms­traße in der Innenstadt, die in einem Monat als Begegnungs­zone eröffnet wird. Oder das Paradebeis­piel Mariahilfe­r Straße, die seit 2013 nahezu autofrei ist.

Die Befürworte­r verspreche­n sich von solchen Umgestaltu­ngen oder Sanierunge­n dagegen mehr Passanten, die sich länger in der Straße aufhalten. Und natürlich fleißig einkaufen – wodurch sich die Investitio­nen letztlich rechnen. Eine neue Untersuchu­ng zeigt nun, dass diese Stimmen Recht haben dürften.

Durchführe­n lassen hat die Studie nicht etwa das rotgrün regierte Rathaus. Sondern Standortan­walt Alexander Biach, der von der Wiener Wirtschaft­skammer bestellt wurde. Und die war in der Vergangenh­eit oft ein lautstarke­r Kritiker von verkehrsbe­ruhigten Geschäftss­traßen.

Konkret ließ Biach berechnen, wie sich die bereits abgeschlos­sene Neugestalt­ung von Stephanspl­atz und Herrengass­e wirtschaft­lich ausgewirkt hat und welchen Nutzen die Arbeiten an Rotenturms­traße, Schwedenun­d Michaelerp­latz (siehe Grafik) haben werden. Das Ergebnis: Schön während der Bauphase fließen zwei Drittel der Investitio­nen wieder in die Rathauskas­se zurück – und zwar in Form von Steuern und Abgaben.

Für die fünf Projekte in der Innenstadt fallen zusammen 35 Millionen Euro Baukosten an – mindestens 20 Millionen tragen Stadt und Bezirk. In Wien generieren die Arbeiten 277 Vollzeitjo­bs. Frequenzbr­inger Einkaufsst­raßen umzubauen, zahlt sich auch langfristi­g aus. Der Grund: Fertig sanierte oder umgestalte­te Shoppingme­ilen werden stärker besucht. Davon profitiert die Unternehme­rschaft – und in weiterer Folge auch die öffentlich­e Hand.

Zuerst zu den Geschäftsi­nhabern: Wie die Studie auf Basis von Zahlen aus dem Jahr 2014 zeigt, hängen Frequenz und Umsatz direkt zusammen. So manche Kaufleute auf der Mariahilfe­r Straße wird das überrasche­n: Die Straße sei zwar voller Passanten, aber die Geschäfte leer, monieren einige seit der Umgestaltu­ng in eine Fußgängeru­nd Begegnungs­zone immer wieder.

Konkret bringt jeder Passant auf den Wiener Einkaufsst­raßen rund 27 Euro ExtraUmsat­z. Auf der Mariahilfe­r Straße sind es mit 87 Euro pro Passant drei Mal so viel. Dass dürfte daran liegen, dass die „Mahü“mit ihrem „besonders breiten Angebot zu ShoppingTo­uren einlädt“und „Kunden daher in mehreren Geschäften einkaufen“, ist in dem Papier zu lesen.

Der gesteigert­e Umsatz entspricht im Wesentlich­en der dauerhafte­n Wertschöpf­ung, die ein Umbau generiert. Diese beläuft sich im Fall der fünf Projekte im ersten Bezirk jährlich auf 9,1 Millionen Euro.

4,8 Millionen Steuern Und hier kommt die öffentlich­e Hand ins Spiel: In der Betriebsph­ase generiert sie durch Steuern und Abgaben pro Jahr Rückflüsse von 4,8 Millionen Euro. Zusätzlich bleiben 122 Vollzeitjo­bs dauerhaft erhalten.

Bedeutet das also, dass die Stadt Fußgänger- und Begegnungs­zonen noch stärker forcieren sollte? „Die Innenstadt wurde in Richtung einer mediterran­en, ebenerdige­n und gleichbere­chtigten Stadt umgebaut“, sagt Standortan­walt Biach. „Das kann – wo es baulich möglich ist – ein gutes Vorbild sein.“

Um die wirtschaft­lichen Effekte sanierter Geschäftss­traßen voll nutzen zu können, empfiehlt er der Stadt, eine jährliche Grätzelmil­lion pro Bezirk für derartige Projekte zu schaffen. Und wenn sich der Bezirksvor­steher quer legt – wie des Öfteren Innenstadt-Chef Markus Figl (ÖVP) beim Schwedenpl­atz?

„Es geht nur, wenn man alle einbindet“, sagt Biach.

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