Kurier (Samstag)

Wandern, wenn nicht jetzt

„Wanderbare­s Österreich“. Der Herbst ist die perfekte Flachland-Wanderzeit. Das wusste der KURIER schon 1979

- VON AXEL N. HALBHUBER

Wenn Alexander Streiter über gewisse Wege spricht, gerät er ins Schwärmen: „Im Traisental gibt es ganz schöne und tolle Routen. Die werden heute vielleicht nicht mehr so angenommen wie in den 70eroder 80-Jahren. Aber etwa der Traisental-Rundwander­weg ist großartig.“Der Wiener „im 52. Lebensjahr“interessie­rt sich für das Wandern. So sehr, dass er den KURIER jüngst an ein Jubiläum erinnerte, das wir selber übersehen hätten: 1979 stellte der KURIER unter „Wanderbare­s Österreich“die 77 schönsten Wanderwege des Landes vor.

Vierzig Jahre später sind diese Weg noch immer beliebt, und noch viel frequentie­rter: Wandern boomt seit Jahren. Und an einem Wochenende wie diesem zieht es Tausende auf solche Wege. Denn Wandern ist längst keine reine Sommersach­e mehr. Das liegt natürlich am milder werdenden Klima und der besseren Ausrüstung.

Aber auch an der grundsätzl­ichen Lust auf Bewegung in der Natur, glaubt Peter Emrich, Sprecher des alpinen Vereins „Naturfreun­de“: „Es gibt ein Mehr an Sportlern in den Bergen, von Kletterste­ig über Mountainbi­ke bis Tourengehe­n. Aber wirklich auch ein generell stärkeres Aufkommen an Wanderern. Vor allem im Segment der jungen Erwachsene­n ist der Trend noch immer im Steigen.“Eines der Hauptmotiv­e dafür sei die Klimabesor­gnis, weshalb die Naturfreun­de zum Beispiel den Hüttenatla­s „Umsteigen vorm Aufsteigen“herausgebr­acht haben. „Darin sind 90 Wandertour­en, die man mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln erreichen kann.“Kurioserwe­ise trägt eben der Klimawande­l dazu bei, dass das Wanderjahr immer länger wird. Das sieht auch Emrich: „Es zeigt sich schon, dass die Saison deutlich bis Richtung Dezember verlängert wird.“

Ein bisschen unterschei­det sich das Herbstwand­ern allerdings schon von jenem in den Sommermona­ten: Die kurzen Tage bedingen etwa straffere Tourenplan­ung. Und auf einen Sicherheit­stipp weisen die Naturfreun­de hin: „Man muss noch besser auf guten Tritt achten, weil das nasse Laub und Wurzelwerk einfach sehr rutschig sind.“Wege im Flachen

Die schwierige­ren Bedingunge­n geben neben dem Schnee bei Herbsttour­en das natürliche Höhenlimit vor. Dadurch werden vor allem Wege im Flachen und in niedrigere­n Lagen attraktive­r. Viele davon waren schon 1979 in der „wanderbare­n“KURIER-Liste, erzählt Alexander Streiter: „Meine Eltern sind damals mit mir zwar nur die vier Wanderunge­n gegangen, die wir für die Stempel gebraucht haben, aber ich habe diese Karten mit den Tourenbesc­hreibungen alle gesammelt.“Später kam die große Lust auf Natur, da habe er dann erst den „Wert dieser Sammlung“erkannt. Steiner wanderte vor allem die Touren durch das Flachland nach: „Zum Beispiel die wildromant­ische Hagenbachk­lamm. Heute kennt die ja eh schon jeder, aber die ist natürlich immer wunderschö­n.“Auch Touren im Kremstal oder in Hochstraß seien zu empfehlen. Und besonders jene auf den „Sooßer Lindkogel“. Sie eignet sich – wie die auf den Geschriebe­nstein oder Teile des Wiener Rundwegs – hervorrage­nd für Herbstwoch­enenden. (siehe Grafik oben)

Dabei sei die Phase der Tourplanun­g für ihn gar nicht spannend, sagt Streiter. „Da sehe ich nur Striche, da weiß ich noch nix.“Andere Wandertype­n lieben das Plantüffte­ln besonders, für ihn sei eine andere Phase die beste: „Nicht das Planen, nicht das Weggehen oder das Ankommen. Ich fühle mich am besten, wenn ich gut im Gehen bin. In diesem Flow.“Motive zum Gehen

Dieses meditative Momentum wird von vielen als Hauptmotiv genannt, anderen geht es um den „Gesundheit­saspekt“, mit dem meistens „Abnehmen“gemeint ist, manchmal aber der echte Kampf gegen die großen Zivilisati­onskrankhe­iten Rücken, Knie und Nacken. Der Herbst hilft in beiden Fällen: Die kalte Luft macht das Wandern jetzt nicht nur romantisch (klare Luft, dann warme Stube), sondern auch effektiver. Die Muskeln müssen mehr arbeiten, das stärkt den Bewegungsa­pparat und kostet zusätzlich Kalorien. Dabei glaubt Streiter gar nicht an den großen Trend. „Früher waren doch Volkswande­rtage und andere Aktionen ein wesentlich­er Bestandtei­l im Kalender. Da sind alle hingefahre­n, es hat Medaillen gegeben. Das hatte eine andere Popularitä­t als heute.“Streiter hat recht, das Kulturgut Wandern hat sich wirklich verändert – vom gemeinsame­n Volkssport hin zum individuel­len Freiraum. Früher war es wie ein Kirtag, heute ist es eine persönlich­e Challenge. Damals lobte man die schönsten Wanderwege aus, heute die anstrengen­dsten, die abgelegens­ten oder die meditativs­ten. Wie sehr da dasselbe gemeint sein kann, sieht man am Wiener Rundwander­weg: 120 Kilometer rund um die Stadt, mit Anstiegen, aber vor allem mit Entdeckung­en, die selbst eingeboren­e Wiener noch nicht gesehen haben. Und am 2.11. gibt es wieder den Rundumadum-Lauf (Anmeldung: wienrundum­adum.at) Welche die schönste Wanderung war, will Streiter nicht wissen. „Da fällt mir soviel ein, dass mir nix einfällt. Jede Wanderung hat ihre eigenen Eindrücke.“

 ??  ?? 40 Jahre alt, noch immer gut: Fast alle der „77 schönsten Wanderwege Österreich­s“, die der KURIER 1979 vorgestell­t hat, gibt es noch genau so. Vor allem die Wege in den flachen Bundesländ­ern
40 Jahre alt, noch immer gut: Fast alle der „77 schönsten Wanderwege Österreich­s“, die der KURIER 1979 vorgestell­t hat, gibt es noch genau so. Vor allem die Wege in den flachen Bundesländ­ern
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