Kurier (Samstag)

So nerven kann das Grandiose Wenn Kriminelle König werden können und jemand mit schlechtem Haar Präsident, dann leben wir im Zeitalter des Alles-ist-möglich, schreibt Salman Rushdie. Es gibt keine Regeln mehr, und dann kann sogar ein wunderschö­ner Fernseh

Salman Rushdie. Nach 1001 Nacht kommt „Quichotte“ins heutige Amerika

- PETER PISA

Dulcinea

Jetzt hat der 72-Jährige „Quichotte“(Don Quijote/ Quixote) in unser digitales Zeitalter herübergeh­olt. Mister Ismael Smile ist ein amerikanis­cher PharmaVert­reter indischer Abstammung; und ein eifriger Fernsehzus­chauer.

Er gönnt sich die Narretei, in den indisch-amerikanis­chen TV-Star Salma R. verliebt zu sein. Wobei ihm klar ist, dass er unmöglich bei ihr anklopfen und auf Gegenliebe hoffen darf.

Deshalb fährt er durch die USA, wo er Taten vollbringt und den Heiligen Gral sucht. Der Gral ist Dulcinea – demnach Salma R.

Rushdie kann bei dieser Gelegenhei­t die irre Gegenwart bestaunen.

Ismael Smile wünscht sich einen Sohn, und der nimmt, Zauberei, auf dem Beifahrers­itz Platz. Der Sohn bekommt den Namen Sancho, weil ihm, den neuen traurigen Ritter, sonst Entscheide­ndes fehlen würde. Das sind alles gute Ideen. Und, ähnlich wie bei Cervantes, tritt der Erfinder dieser Geschichte auf, ein erfolglose­r US-Autor (richtig, mit indischen Wurzeln). Erfinder und Erfindung. Reales und Nicht-Reales, Wahrheit und Lüge, vereinigt euch. Man kennt sich nicht mehr aus. Das sagt uns der Roman. Schau dir was an ... Was hätten andere Schriftste­ller mit diesem Stoff gemacht? Etwas weniger Sprudelnde­s – und vielleicht weniger Grandioses. Rushdies Reichtum an Sprache und Bildung ist enorm, mit seinen Ausuferung­en, die bis zu Bachelor-Kandidaten reichen, kann der indischbri­tische Schriftste­ller einen allerdings erschlagen.

„Quichotte“fasziniert und nervt gleicherma­ßen.

Könnt’ ein bisserl ruhiger sein, zumindest, wenn es nichts Wesentlich­es zu erzählen gibt. Ein Beispiel:

„Die Zeit (was ist denn die Zeit?), diese tödliche Kammer des Schreckens (was macht sie denn Arges?), deren Wände langsam dem glücklosen Bewohner näher rücken (bis WAS geschieht?), bis sie das Leben aus ihm herausquet­schen (bei wem tut sie das?), drückte auf Quichotte (wann?), als er vor dem Apartmenth­aus seiner Halbschwes­ter stand (was treibt er dort?) und hinaufscha­ute.

Quichotte schaut also zum Fenster, das ist alles.

Man stelle sich einen genialen Rushdie-Satz vor, wenn Quichotte auch noch hinaufgeht zur Wohnung seiner Halbschwes­ter (und dann womöglich niemand daheim ist)!

Die Sehnsucht nach einem Gedicht wird groß, einem dreizeilig­en. Das reicht meist völlig ...

Ja, Schnecke, besteige den Fuji, aber langsam, langsam! (ein Haiku von Kobayashi Issa, 1763–1828)

 ??  ?? Die Zeit, diese tödliche Kammer des Schreckens: Salman Rushdie schickte „Quichotte“in Trumps Amerika
Die Zeit, diese tödliche Kammer des Schreckens: Salman Rushdie schickte „Quichotte“in Trumps Amerika
 ??  ?? Salman Rushdie: „Quichotte“Übersetzt von Sabine Herting. C. Bertelsman­n Verlag. 464 Seiten. 25,70 Euro. KURIER-Wertung:
Salman Rushdie: „Quichotte“Übersetzt von Sabine Herting. C. Bertelsman­n Verlag. 464 Seiten. 25,70 Euro. KURIER-Wertung:
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria