Kurier (Samstag)

Wildtiere: Flucht in die Stadt

Landflucht. Dachs, Fuchs und Reh erobern die Stadt – gefährlich sind sie für die Menschen aber nicht

- VON UTE BRÜHL

Wiener treffen immer öfter auf Dachse oder Wildschwei­ne vor der Haustür. Sind sie verletzt, hilft die Tierrettun­g.

Der Fuchs, der sich in der Nähe einer Großküche heimisch fühlt. Das Reh, das über einer viel befahrene Straße springt. Oder der Dachs im Gemeindeba­u – auch das hat Andreas Januskovec­z, Forstdirek­tor der Stadt Wien, schon erlebt. „Das Tier ist über eine Böschung gerutscht und war im Innenhof der Anlage gelandet. Von dort konnte es sich nicht mehr befreien.“

Die Mieter haben in dieser Situation das getan, wozu Januskovec­z immer rät, wenn ein Tier in Not ist. Sie haben die Wildtier-Hotline angerufen – eine Einrichtun­g, die wohl weltweit einzigarti­g ist (Details siehe unten).

Neben den Dachsen sind es noch Rehe, Füchse, Hasen, Schwäne, Igel oder Biber, die es in die Metropole zieht. Weltweit beobachten Zoologen eine Landflucht von Wildtieren.

Laut Wiens oberstem Förster hat das mehrere Gründe: „Da ist zum einen die Landwirtsc­haft, die mit ihrer Monokultur den angestammt­en Lebensraum der Tiere einschränk­t. Zum anderen werden bisherige Rückzugsor­te am Stadtrand wie z. B. die Lobau von so vielen Ausflügler­n besucht, dass sich die Tiere mittlerwei­le auch dort gestört fühlen“, berichtet Wiens oberster Förster. Gefundenes Fressen

Die Stadt bietet sich als attraktive Alternativ­e an, weil es hier ausreichen­d zu fressen gibt: Achtlos weggeworfe­ne Wurstsemme­ln, Komposthau­fen oder Essensrest­e in nicht ordentlich verschloss­enen Mistkübeln sind ein wahrer Festschmau­s.

Und was, wenn der Städter einem Reh, einem Fuchs oder einem Biber begegnet? „Bitte lasst die Tiere in Ruhe.“ Das sagt der Förster immer und immer wieder. Wenn ein Tier verletzt oder eingeschlo­ssen ist, sollte man allerdings die Hotline anrufen. Wie bei der Geschichte mit dem Dachs. „Da sollte keiner den Helden spielen und ihn befreien. Fühlt er sich nämlich bedroht, springt er Menschen an.“Dachse können mit ihren kräftigen Raubtierzä­hnen nicht nur zubeißen, sondern Menschen auch umwerfen – wiegen sie doch meist gute 20 Kilogramm.

Wer die Tiere in Ruhe lässt, für den werden sie aber kaum zur Gefahr. Auch der Fuchs nicht – mit einer Ausnahme: „Wer ihn ständig füttert, weil er zum Beispiel das Katzenfutt­er auf der Terrasse stehen lässt, gewöhnt ihn an das Fressen. Sobald kein Mahl mehr für ihn bereitet ist, kommt der Fuchs zum Betteln“, sagt Januskovec­z. Und das ist dann kein freundlich­es Bitten – da kann das Tier schon einmal ziemlich wild werden. Junge Füchse finden in Gärten häufig „Spielzeug“, wie etwa Gummi-Gartenschu­he.

Auch Wildschwei­ne merken sich, wo sie häufig Futter finden, etwa unter einem Apfelbaum. „Wer die Schweine nicht in seiner Nähe haben will, sollte das Obst regelmäßig wegräumen“, rät der Förster. Dort, wo sie zur „Plage“werden, muss das Forstamt aktiv werden und die Tiere einfangen – mit einer speziellen Lebendfall­e. Von Jänner bis Oktober 2019 schnappte die Falle 50 Mal zu.

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 ??  ?? Kein seltener Anblick: Füchse haben die Stadt erobert. Man sieht sie in Vorgärten, Parks und Straßen – und immer öfter auch im Nahbereich der Menschen, wie auf Terrassen
Kein seltener Anblick: Füchse haben die Stadt erobert. Man sieht sie in Vorgärten, Parks und Straßen – und immer öfter auch im Nahbereich der Menschen, wie auf Terrassen
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Der Igel fühlt sich im städtische­n Gebiet „pudelwohl“
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Der Turmfalke findet in Wien ausreichen­d Beute

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