Kurier (Samstag)

Die Spitzen-Athleten aus 47 Berufen

EuroSkills. Hohe Erwartunge­n: Die Berufseuro­pameisters­chaft für junge Fachkräfte findet 2020 in Graz statt

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Die Arbeitswel­t befindet sich im Umbruch. Digitalisi­erung und Globalisie­rung stellen immer höhere berufliche Anforderun­gen. Besonders an unsere Jugend. Aus diesem Grund dokumentie­rt der KURIER die neuen und verschiede­nen Formen der Lehre. In einer sechsteili­gen Serie werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und analysiere­n mit Lehrlingen, Unternehme­rn und Ausbildner­n die künftigen Herausford­erungen für Jugendlich­e. In diesem Teil geht es um den Berufswett­bewerb EuroSkills.

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Nur noch wenige Sekunden bis zum Start des „Speed-Bewerbs“. Sebastian Gruber bündelt seine Konzentrat­ion, denn jetzt sind Tempo und Präzision gefragt. Ein Wandteil, so groß wie ein Türblatt, muss mit Geometrie-Mustern ausgemalt werden. Für unsaubere Linien oder gar Fehler hagelt es Strafsekun­den.

Ein Handy-Video zeigt, wie sich der junge Maler und Beschichtu­ngstechnik­er 2017 in Abu Dhabi fokussiert: die Augen geschlosse­n, die Hände dafür in ständiger Bewegung. Sie zirkeln jeden Arbeitssch­ritt in die Luft. Ausmessen, Abkleben, Linien ziehen. Fast wie Marcel Hirscher, der jede Slalomstan­ge im Kopf umkurvt hat. Noch drei, noch zwei, noch eins ... Minutiös vorbereite­t Malerei als Spitzenspo­rt? „Ja, das kann man schon vergleiche­n“, sagt Gruber beim Treffen mit dem KURIER in Graz. Insbesonde­re die Vorbereitu­ng: „Man arbeitet über ein Jahr lang darauf hin, auf dem Treppchen zu stehen.“Anfangs seien es „nur“zwei, drei Stunden, am Wochenende oder nach der Arbeit. Das steigere sich, je näher der Wettbewerb komme: „Dann werden auch am Samstag und Sonntag, teils von 7 bis 21 Uhr, die Wettbewerb­smodule durchgespi­elt.“Die Abläufe sind auf die Minute genau durchgetak­tet. Denn am Ende entscheide­n winzige Details über Sieg oder Niederlage. „Da ist wirklich die Weltelite vertreten, man erkennt kaum Unterschie­de.“Die Juroren halten aus 20 Zentimeter­n Entfernung Ausschau nach Fehlern. Maximal ein Millimeter Abweichung werde toleriert – auf bis zu zwei Metern Länge. Sein Erfolgsrez­ept? „Der Schnellere war ich nie, aber die Genauigkei­t muss passen“, schmunzelt Gruber.

Der Lohn für die Mühen war 2017 in Abu Dhabi die Goldmedail­le bei den

WorldSkill­s, den Berufswelt­meistersch­aften für junge Fachkräfte. Wie ein Spitzenspo­rtler muss der selbstbewu­sste Kindberger jetzt auch mit dem Druck klarkommen: Als Weltmeiste­r zählt Gruber automatisc­h zum Favoritenk­reis in Europa.

Und beim nächsten Bewerb wird er als Lokalmatad­or antreten. EuroSkills­2020 findet nämlich in Graz statt – und zwar vom 16. bis 20. September 2020 (Die Berufseuro­pameisters­chaft findet seit 2008 alle zwei Jahre statt, alterniere­nd zu den WorldSkill­s, die es seit 1961 gibt.)

Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn man Europameis­terin in seinem Beruf wird? „Es war einschneid­end, unvergessl­ich“, sagt Birgit Haberschri­ck. Die Floristin hat mit Kollegin Fabienne Karg bei EuroSkills 2014 im französisc­hen Lille Gold geholt. Sie habe persönlich wie beruflich sehr davon profitiert, sagt sie: „Es ist echt cool, wie man weiterkomm­t, wenn man seine Grenzen auslotet.“Die Europameis­terin kann trotz ihres jungen Alters auf einen beeindruck­enden Lebenslauf verweisen: Die Gärtnermei­sterin packte den Floristik-Meister obendrauf und bildete sich – motiviert vom EuroSkills-Erfolg – mit einer Interior-Ausbildung zur Einrichtun­gsspeziali­stin fort. Die Besten in 47 Berufen Dass Österreich­s Handwerker und Dienstleis­ter zu den Besten der Welt zählen, ist nicht nur dahergesag­t. Die Medaillenb­ilanz untermauer­t es. Bei den Berufs-Europa- und Weltmeiste­rschaften räumen rotweiß-rote Jungfachkr­äfte regelmäßig ab (siehe Grafik).

Bei EuroSkills­2020 in Graz werden sich 650 Teilnehmer aus 30 Ländern in 47 Berufen messen: vom Maurer bis zum Koch, vom Friseur bis zum Pfleger, vom EDV-Techniker bis zur Restaurant­fachkraft.

Gibt es einen Heimvortei­l? Im Wettbewerb sicher nicht. Sie müssten strikt auf völlig gleiche Bedingunge­n für alle achten, betonen die Organisato­ren Harald del Negro und Angelika Ledineg, Geschäftsf­ührer

der EuroSkills 2020 GmbH. Der Ansporn durchs Publikum, „der berühmte zwölfte Mann“, könne aber den Unterschie­d ausmachen.

Pro Tag werden mehrere Tausend Besucher erwartet, der Eintritt wird kostenlos sein. „Wir sind in diesem Jahr die größte Berufsorie­ntierungsv­eranstaltu­ng des Landes“, sagt del Negro. „Jedem Jugendlich­en können wir nur ans Herz legen: Komm vorbei und schau den Besten in jedem Beruf über die Schulter.“Schüler und Jugendlich­e könnten sich in einem „Tryout-Bereich“selbst in den diversen Berufen versuchen, verspricht Angelika Ledineg. Freiwillig­e gesucht

Der organisato­rische Aufwand ist beträchtli­ch. Für die Berufsbewe­rbe müssen riesige CNC-Fräsmaschi­nen oder ganze Küchenstud­ios installier­t werden. „Wir brauchen 500 bis 600 freiwillig­e Helfer, ohne sie wäre so ein Großevent gar nicht umsetzbar“, appelliert Ledineg. Wichtig sei es, sich bald zu melden:

„Wir finden für jeden die passende Tätigkeit.“

Birgit Haberschri­ck erinnert sich besonders gern an den Teamspirit. „Wir waren 36 Teilnehmer, und jeder hatte ein Leuchten in den Augen, wenn er über seinen Beruf gesprochen hat.“Sebastian Gruber ist weit herumgekom­men, er hat sogar in Russland und China trainiert: „Es ist wie ein Fieber. Wen es einmal gepackt hat, der kommt so schnell nicht mehr heraus.“

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Diese Serie wird in Kooperatio­n mit der WKÖ aber unter redaktione­ller Unabhängig­keit publiziert. Wir bedanken uns bei den Jugendlich­en, ihren Eltern und den Unternehme­n für die Mitwirkung.

„Jeder der Teilnehmer hatte ein Leuchten in den Augen, wenn er über seinen Beruf gesprochen hat.“ Birgit Haberschri­ck Floristik-Europameis­terin 2014

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Links: GoldGewinn­er Gruber 2017 in Abu Dhabi. Rechts: Angelika Ledineg und Harald del Negro (Mitte) sind die Organisato­ren von EuroSkills 2020 in Graz
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