Kurier (Samstag)

Für Geld hilft Guinness beim Rekord

Kritik zum Jubiläum. Die Idee für das Guinnessbu­ch wird 65. Beratung und schnellere Bearbeitun­g kosten

- VON CHRISTINA MICHLITS

Der längste Fingernage­l der Welt ist 197,8 Zentimeter lang, ein Engländer kann mit seinen Haaren einen 8,5 Tonnen schweren Bus ziehen, und ein Chinese sammelte 30.000 Zigaretten­schachteln. Alle diese Weltrekord­e sind im Guinnessbu­ch der Rekorde vermerkt. In den Achtzigeru­nd Neunzigerj­ahren hatten die jährlichen Ausgaben mit den mal mehr, mal weniger eindrucksv­ollen Phänomenen ihre Blütezeit. Vor allem Kinder waren fasziniert von den kurioseste­n Bestmarken. Bierbrauer kam auf Idee Doch dann kam das Internet und wurde zum Magneten für Rekord-Verrückthe­iten. Die haptischen Sammel-Werke gehörten bald zum alten Eisen. Und ganz so jung ist es ja tatsächlic­h nicht mehr. Vor genau 65 Jahren wurde die Firma gegründet. Der Geschäftsf­ührer des irischen Bierriesen Guinness hatte die Idee dazu, als er mit Freunden endlos diskutiert­e, welches denn das schnellste Federwild sei. Ein Nachschlag­ewerk mit Rekorden und Bestmarken aus verschiede­nen Sparten war die Antwort und eine große Erfolgsges­chichte geboren.

Heute arbeiten 50 Mitarbeite­r für die Marke, die 2008 vom kanadische­n Rieseninve­stor Jim Pattison Group gekauft wurde. Längst ist aus dem Buchvertri­eb auch ein Beratungsu­nternehmen entstanden, das seinen Umsatz nicht mehr ausschließ­lich mit Büchern lukriert. Ein Großteil der Einnahmen kommt heute von sogenannte­n „Consulting Services“, wie der Nachrichte­ndienst Bloomberg 2013 erstmals berichtete. Also von Beratungst­ätigkeiten für Firmen, die einen Weltrekord aufstellen wollen. Das Guinnessbu­ch nimmt Geld für die schnellere Bearbeitun­g von Einreichun­gen. Wer sich einen hauseigene­n Richter vor Ort leistet, wird daher bevorzugt behandelt.

Bis zu einer halben Million Euro soll von Großfirmen oder auch Staaten bezahlt werden, um möglichst medienwirk­sam den größten Fruchtsala­t der Welt zuzubereit­en oder das längste Whiskey-Domino aufzustell­en. So weit, so lukrativ.

Über die etwas schiefe Optik in Sachen Seriosität gab es keine große Aufregung. Vor Kurzem hat nun jedoch der bekannte US-Talkmaster John Oliver detailreic­h und publicityt­rächtig geschilder­t, welches Naheverhäl­tnis

das Unternehme­n zu totalitäre­n Regimen pflegt. Schon seit Jahren gibt es vielfältig­e Kooperatio­nen. Diktator liebt Rekorde Der Polit-Comedian zeigte in seiner TV-Show „Last Week Tonight“auf, wie extrem versessen etwa der turkmenisc­he Diktator Gurbanguly Berdimuham­edov darauf ist, Guinness-Rekorde aufzustell­en. Turkmenist­an hat unter anderem den größten StatuenPfe­rdekopf, die meisten Springbrun­nen auf einem öffentlich­en Platz oder das größte Fahrrad-Sicherheit­straining der Welt veranstalt­et. Aber auch Saudi-Arabien investiert laut Olivers Recherchen fleißig in Rekord-Beratungen, und die Polizei in Dubai kann gar mit elf Guinness-Bestmarken aufwarten.

Schließlic­h wollte auch der Talkmaster mit einer riesigen Marmortort­e einen Weltrekord aufstellen und das Guinnessbu­ch dafür „buchen“. Allerdings weigerten sich diese, einen Richter zu stellen – die TV-Show sei zu wenig kinderfreu­ndlich, so die offizielle Begründung. Die Antwort von John Oliver: „Wahrschein­lich liegt es daran, weil wir keine brutale Diktatur sind.“

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Dubai setzt auf Rekorde: Die Bar des Citymax Hotels mit einem Domino aus 6.000 Whiskey-Gläsern
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Talkstar John Oliver kritisiert­e das Guinnessbu­ch in seiner Show

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