Kurier (Samstag)

„In die Freiheit nur durch den Kamin“

Auschwitz. Angela Merkel besuchte das ehemalige „deutsche Lager“; diese Diktion ist Polen wichtig

- AUS AUSCHWITZ JENS MATTERN

„Ich empfinde tiefe Scham angesichts der barbarisch­en Verbrechen, die hier von Deutschen verübt wurden.“Mit diesen Worten leitete Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihre Rede in dem ehemaligen Konzentrat­ionslager Auschwitz Birkenau ein. Die Kanzlerin besuchte am Freitag auf Einladung der Stiftung Auschwitz Birkenau überhaupt zum ersten Mal die Gedenkstät­te. Begleitet wurde sie vom polnischen Premiermin­ister Mateusz Morawiecki, dem Direktor des Museums und Stiftungsv­orsitzende­n Piotr Cywinski, dem Präsidente­n des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, und dem Vorsitzend­en des Zentralrat­s Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose.

In dem Konzentrat­ions- und Vernichtun­gslager Auschwitz Birkenau, das im von Deutschlan­d besetzten Polen lag, starben von 1940 bis 1945 etwa 1,1 Millionen Menschen, davon waren die meisten Juden. In ihrer Rede gedachte die deutsche Politikern dieser jüdischen Opfer, aber auch der Polen, Sinti und Roma, der sowjetisch­en Kriegsgefa­ngenen sowie Menschen, die aufgrund von Homosexual­ität oder Behinderun­g ermordet wurden.

60 Millionen Euro für Stiftung „In die Freiheit geht es nur durch den Kamin, einen anderen Weg gibt es nicht“, erinnerte sich Bogdan Bartnikows­ki, wie er als Kind von einem Kapo (einem leitenden Häftling) 1944 in Auschwitz begrüßt wurde. Der 87-Jährige durfte in der ehemaligen „Sauna“des Lagers als erster sprechen. Merkel erklärte dort vor polnischen Politikern und anderen Überlebend­en, die Opfer bräuchten ein „würdiges Andenken“: Bund und Länder werden der „Stiftung Auschwitz Birkenau“jeweils 30 Millionen Euro überweisen, um die Instandhal­tung der großflächi­gen Anlage zu ermögliche­n. Die Stiftung wurde vor zehn Jahren von dem ehemaligen Auschwitzh­äftling und damaligen Außenminis­ter Wladyslaw Bartoszews­ki gegründet und verfügt über ein Stammkapit­al von 180 Millionen Euro.

Ferner versichert­e die deutsche Politikeri­n, Antisemiti­smus, Rassismus, Intoleranz und Geschichts­revisionis­mus nicht zu dulden – Letzteres war wohl primär nach Warschau gerichtet. Die nationalko­nservative Regierung Polens betreibt eine aktive Geschichts­politik, die das Leid und die Aufopferun­g der Polen während des Zweiten Weltkriegs stärker im Bewusstsei­n der Weltöffent­lichkeit verankern will, und bereitet Reparation­sforderung­en an Deutschlan­d vor. Im vergangene­n Jahr wurde zudem das sogenannte „Holocaustg­esetz“vorgestell­t, das bei Behauptung­en, die polnische Nation habe eine Verantwort­ung oder Mitverantw­ortung an Naziverbre­chen, Strafverfo­lgung vorsah. Auf Protest Israels hin wurde die Novelle entschärft.

Grund für diese Maßnahmen sind Formulieru­ngen wie „polnische Todeslager“in westlichen Medien.

So werde Polen eine Schuld an den Verbrechen zugewiesen, die auf von NS-Deutschlan­d besetztem Territoriu­m begangen wurden, heißt es. Hinweis auf Mauthausen

Dass Merkel erklärte, Auschwitz sei ein „deutsches Lager“gewesen, wurde darum als erstes von den polnischen Medien aufgegriff­en. Der polnische Premier Mateusz Morawiecki erinnerte auch daran, dass andere Gedenkstät­ten gepflegt werden müssten. So kritisiert­e er, dass auf einem Teil des Außenstell­en-Geländes des ehemaligen KZ Mauthausen in Österreich Wohnhäuser gebaut worden seien. Dort sei ein großer Teil der polnischen Intelligen­z ermordet worden.

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Deutsche Kanzlerin Merkel und Polens Premier Morawiecki in Auschwitz

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