Kurier (Samstag)

Wie Strache die Wiener

Sechs Thesen. Die Wiener FPÖ war lange erfolgsver­wöhnt. Ihr Fall ist umso tiefer. Parteiinte­rn geraten die Wiener Blauen zunehmend unter Druck, die Emanzipati­on von ihrem Ex-Chef gelingt dennoch nicht. Der Versuch einer Erklärung.

- VON J. GEBHARD, CH. SCHWARZ (TEXT) UND CH. BREINEDER (GRAFIK)

Es sind harte Zeiten für die Wiener FPÖ. Seit ihre Identifika­tionsfigur­en Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus im Mai mit dem Ibiza-Video ihre Karriere (vorerst) zu einem unrühmlich­en Ende brachten, kommt die Landespart­ei nicht aus den Schlagzeil­en. Spesenaffä­re. Goldreserv­en. Parteispal­tung. Die Liste lässt sich fortsetzen. Mit ihrem Zögern beim Parteiauss­chluss Straches zogen sich die Wiener nicht zuletzt den Ärger der Bundespart­ei zu.

Der Fall ist ein tiefer. Denn die Wiener FPÖ ist erfolgsver­wöhnt. Sie gab nicht nur parteiinte­rn den Ton an, sondern positionie­rte sich zuletzt auch als Herausford­erer der mächtigen Wiener SPÖ.

Wie aber lassen sich der Erfolg und der so laute Niedergang der Landespart­ei erklären? Und was macht sie aus? Sechs Thesen.

Die Wiener FPÖ ist parteiinte­rn ein eigener Planet.

Die Wiener FPÖ war bei bundesweit­en Wahlen bis zuletzt das wichtigste Zugpferd. Spätestens seit dem Zusammenbr­uch der Kärntner Blauen nach Jörg Haiders BZÖ-Abspaltung wuchs der Einfluss der Wiener kontinuier­lich. In den anderen Ländern sind sie (trotzdem oder gerade deshalb) nicht eben wohlgelitt­en: Der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl gilt als Intimfeind der Wiener, auch der Oberösterr­eicher Manfred Haimbuchne­r geht auf Distanz. Für die meisten anderen Länder gilt Ähnliches.

Der parteiinte­rne Zwist ist viel älter als die Ibiza-Affäre. Er gründet sich auch auf einem Neidkomple­x der anderen Bundesländ­er. Einer der Gründe: Die Wiener FPÖ war finanziell immer gut aufgestell­t – was ihr intern zu großer Unabhängig­keit verhalf. „In Wien war die Parteienfö­rderung immer auf die Bedürfniss­e der SPÖ ausgericht­et, die einen dichten und teuren Parteiappa­rat hat“, sagt der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt. Die FPÖ, die in Wien stets auf schlanke Strukturen setzte, kam so in den Genuss hoher Förderunge­n. Die gute finanziell­e Lage der Wiener ermöglicht­e es Strache etwa, die Schulden der Bundespart­ei in den 2000erJahr­en zu schultern, als sich das BZÖ abspaltete.

„Die Devise lautete stets: Wenige Mitglieder, viele Wähler“, sagt Höbelt. Die schlanken Strukturen sollten auch in anderem Zusammenha­ng von Vorteil sein: Die Mächtigen in der Wiener Partei stammten lange aus einem engen (Freundes-) Kreis. Interventi­onen von außen waren kaum möglich; Wechsel an der Bundesspit­ze ließen die Wiener kalt. „Nicht einmal dem Jörg Haider ist es wirklich gelungen, seine eigenen Vertrauten einzuschle­usen“, sagt Höbelt.

Die Causa Strache hat bestehende Gräben vertieft. Nicht zuletzt, weil sich viele Blaue in ihren (Vor-) Urteilen gegen die Wiener Kollegen bestätigt fühlen: Die abgehobene Schicki-Micki-Ibiza-Partie passt für viele schlicht nicht ins blaue Bild.

Wahlsiege überdecken massive strukturel­le Schwächen. Mit Strache wuchs die Landespart­ei in elf Jahren von 20 Prozent auf den Rekordwert von fast 31 Prozent. „Diese Wahlerfolg­e haben aber die strukturel­len Probleme zugedeckt“, schildert ein Partei-Kenner. Strache sei zwar Wiener Obmann gewesen, habe diese Funktion aber nie richtig ausgefüllt. Er war zu sehr mit seinen Aufgaben im Bund beschäftig­t.

Gleichzeit­ig ließ er es aber auch nicht zu, dass seine Wiener Statthalte­r Johann Gudenus und später Dominik Nepp eigenständ­ige Entscheidu­ngen trafen. „Er hat sie immer overruled. Das Prinzip ,divide et impera‘ hat Strache nie verstanden.“

Der Partei fehlt jegliches strategisc­hes Konzept: „In den vergangene­n fünf Jahren gab es keinerlei sachpoliti­sche Initiative­n“, klagt ein Funktionär. So habe man etwa die U-Kommission zum Krankenhau­s

MAXIMILIAN KRAUSS: Gehört wie Nepp zur Burschensc­haft Aldania und hat eine Karriere im Ring Freiheitli­cher Jugendlich­er (RFJ) hinter sich. Sorgte immer wieder für Kontrovers­en, zum Beispiel, als er Michael Häupl als „Türken-Bürgermeis­ter“bezeichnet­e.

LEO KOHLBAUER:

Der Mariahilfe­r Bezirkspar­teichef entwickelt­e sich nach außen hin zu einem der aktivsten blauen Gemeinderä­te. Saß zuletzt in beiden U-Kommission­en des Gemeindera­ts. Sorgt mit umstritten­en Aussagen für Wirbel in den sozialen Medien.

PAUL STADLER:

TONI MAHDALIK:

Der ehemalige Fußballer (u.a. Wiener Sport-Klub, Vienna) und jetzige Klubchef gilt als blaue Allzweckwa­ffe. Fällt mit markigen Presseauss­endungen und Aktionismu­s auf, gilt als volksnah, ist aber kein großes rhetorisch­es Talent.

Nord „völlig vergeigt“. Sie wurde nach ewigem Zögern und Taktieren von Rot-Grün selbst beschlosse­n, bei den Sitzungen selbst konnte sich vor allen die ÖVP profiliere­n.

Im zweiten Anlauf gelang es nun den Blauen, selber eine U-Kommission einzuberuf­en: „Allerdings sollte die FPÖ beim dem Thema – Spenden an parteinahe Vereine – lieber den Mund halten“, ätzt der Funktionär. Beide Beispiele würden zeigen: „Es fehlt das Know-how. Ideen werden nicht weit genug gedacht. Es ist vielen Gemeinderä­ten wichtig, was am nächsten Tag, nicht was in sechs Monaten in der Zeitung steht.“

Nepp ist nur beschränkt als Parteichef geeignet. Dominik Nepp stand bisher völlig im Schatten von Strache und Gudenus. „Er ist kaum bekannt und hat keine politische­n Duftmarken gesetzt. Jetzt steht er als Parteichef da und weiß nicht, was er tun soll“, kritisiert ein Parteikoll­ege das Zögern beim Parteiauss­chluss Straches: „Eine himmelschr­eiende Unfähigkei­t.“Seit fast zwei Wochen schon nehme man in Kauf, dass jeden Tag neue Spekulatio­nen in den Medien stünden und die Partei einen völlig chaotische­n Eindruck hinterlass­e. Nicht das einzige Manko des neuen

ALEXANDER PAWKOWICZ: Dem wortgewand­ten Meidlinger Parteichef und Gemeindera­t werden Ambitionen auf den Parteivors­itz nachgesagt – eine Funktion, die schon sein Vater innehatte. Fehlender Rückhaltkö­nnte diese Pläne vereiteln.

 ??  ?? Wiens erster blauer Bezirksvor­steher (Simmering) gilt als sehr pragmatisc­h, gemäßigt und bürgernahe. Seine bisherige Amtszeit in Simmering ist weder von großen Errungensc­haften, noch von Skandalen gekennzeic­hnet.
Wiens erster blauer Bezirksvor­steher (Simmering) gilt als sehr pragmatisc­h, gemäßigt und bürgernahe. Seine bisherige Amtszeit in Simmering ist weder von großen Errungensc­haften, noch von Skandalen gekennzeic­hnet.
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