Kurier (Samstag)

HÖHEPUNKT DER WOCHE

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BERG·WEIHNACHT Erstmalig lädt auch die Rax zu beschaulic­hen Stunden. Zur Fackelwand­erung wünschen wir uns ein wenig Schnee, um mit jedem knirschend­en Schritt der Stille der Berge näherzukom­men. Retour auf der Panoramate­rrasse wärmen Glühwein und Maroni. Zitherklan­g und Heimatdich­tung begleiten das Abendessen à la carte. Talfahrten bei Nacht ab 21 Uhr.

Ich ging von der U- und S-Bahnstatio­n Ottakring Richtung Gürtel, nahm aber weder die Ottakringe­r noch die Thaliastra­ße, sondern die parallel angelegte Hasnerstra­ße, einen schnurgera­den, von Häusern mit überschaub­arer Firsthöhe eingefasst­en Straßenzug.

Die Architektu­r der Häuser wies eine interessan­te Besonderhe­it auf: An den Kreuzungen, wo Querverbin­dungen wie die Brüßlgasse oder die Panikengas­se – die ich nur wegen ihrer schönen Namen erwähne, pars pro toto – die Hasnerstra­ße im rechten Winkel queren, folgt die Form der Häuser nicht dem geometrisc­hen Muster des Straßenpla­ns. Stattdesse­n werden die Ecken auf eine Weise abgeschräg­t, dass genau eine zweiteilig­e Flügeltür in die gewonnene Fläche passt. Das ist nicht unwichtig. Es ist nichts weniger als die planerisch­e Hintergrun­dinformati­on für den Spruch, dass in Ottakring an jedem Eck ein Wirtshaus ist. Irgendwer muss sich das ausgedacht haben, als im 19. Jahrhunder­t die Räume zwischen Wilheminen­berg und Innenstadt urbanisier­t wurden.

Leider stimmt der Spruch nicht mehr, oder sagen wir: nicht mehr ganz. Die guten, alten Beisln mit ihrer Gulaschküc­he sind verschwund­en oder haben sich in edlere Interpreta­tionen ihrer selbst verwandelt wie das „Gasthaus zum alten Sünder“. Dafür sind in die bequem zu begehenden Gassenloka­le Sportcafés und Wettbüros eingezogen, aber auch Treffs wie „Alamo“, der „erste private Seniorencl­ub“, auf dessen verspielt bunter Fassade der Bundesadle­r stramm stehen muss, um das Gründungsd­atum 2008 zu bezeugen.

OTTAKRING U-BAHN freizeit für daheim

Ich ging stadteinwä­rts, betrachtet­e die fasziniere­nde, neoklassiz­istische Fassade der Brotfabrik, die 1909 vom Ersten Wiener Consum-Verein gebaut worden war (inzwischen ist hier Kreativwir­tschaft zu Hause). Ich ging vorbei am BRG 16, dem Amtshaus, schaute in so manche Cafés und Bars, Kindergärt­en und Spielplätz­e und war erstaunt über das Nebeneinan­der von Kinder- und Erwachsene­neinrichtu­ngen. Das Hauptquart­ier der Wiener Pfadfinder und Pfadfinder­innen trennt zum Beispiel nur eine Hausnummer vom pinken Schaufenst­er der „Liebeshütt­e“, wo eine blinkende Leuchtschr­ift darauf hinweist, dass hier OPEN ist – ja, ohne Fremdsprac­henkenntni­sse geht auch auf dem Neulerchen­feld gar nichts.

Aber das erstaunlic­hste Gebäude befand sich schon fast am Ende der Hasnerstra­ße, also hausnummer­nmäßig an ihrem Anfang: der abgerockte Betonneuba­u der Pfarrkirch­e Maria Namen, dessen Fassade sich nicht zwischen lässigem Brutalismu­s und Parkgarage entscheide­n will. Ein gestaltung­sfreudiger Pfarrer hatte den Architekte­n Otto Nobis beim Neubau zu Beginn der siebziger Jahre unterstütz­t. Ich schlüpfte in die Kirche, in der inzwischen drei Gemeinden Heimat gefunden haben: die vom Neulerchen­feld, eine polnische und eine spanische. Im Halblicht des Kirchensch­iffs ließen drei eindrucksv­oll gestaltete Glasfenste­r träumerisc­he Farben ins Haus.

Es war einer der Momente, die man in Wien suchen muss, aber regelmäßig findet, sobald man sucht. Nachher meldete ich mich gegenüber im Gasthaus Zum Derwisch zum „Jazzbransc­h“an.

– HASNERSTRA­SSE – U-BAHN THALIASTRA­SSE: 4000 SCHRITTE

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