Kurier (Samstag)

Kopftuch: Experte widerspric­ht Ministerin – und verteidigt Verbot

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Ist das Kopftuch immer Zwang? Kenan Güngör verneint – und versucht die Debatte zu versachlic­hen.

Kein muslimisch­es Mädchen trägt freiwillig ein Kopftuch, weil immer ein gewisser Druck mit dabei ist – von der Familie, von Freunden, von der Community.

Das ist – vereinfach­t – die Position, mit der Integratio­nsminister­in Susanne Raab im KURIER erklärt hat, warum sie schnellstm­öglich ein Kopftuchve­rbot für unter 14-Jährige haben will (Faksimile).

Das Ansinnen ist insofern bemerkensw­ert, als bis heute keine Daten existieren, wie groß das Thema ist, sprich: Niemand weiß, wie viele Kinder wirklich zum Kopftuch gezwungen werden.

Für den Soziologen und Politikber­ater Kenan Güngör ist die Behauptung, wonach Kopftücher ausschließ­lich aufgrund von Zwang getragen werden würden, zu einfach. „Natürlich trifft es zu, dass Zwang beim Kopftuch oft eine Rolle spielt. Aber es gibt auch einen anderen Bereich. Etwa wenn Kinder einfach aus Liebe zu den Eltern zum Kopftuch greifen“, sagt der Experte im KURIER-Gespräch. „Und nicht zuletzt gibt es Töchter, die Kopftuch tragen, weil ihre Mutter oder gute Freunde das tun.“

Die Lage sei vielschich­tig und sehr komplex, und es gebe mittlerwei­le sogar junge Frauen, die das Kopftuch zwar gerne tragen würden, dies aber nicht tun, weil sie sich vor Anti-Islamismus oder Anfeindung­en fürchten.

Im zentralen politische­n Punkt, nämlich beim Verbot des Kopftuchs für unter 14Jährige, stimmt Experte Güngör der Integratio­nsminister­in aber zu. „Ich mache es mir nicht einfach. Aber wenn man alle Aspekte abwägt, überwiegen die Argumente dafür, mit dem Kopftuch bis zum 14. Lebensjahr zu warten.“Die Pflichtsch­ulzeit solle ein kopftuchfr­eier Raum werden. Warum?

„Weil das Kopftuch nicht nur ein modisches Accessoire darstellt, sondern – etwa durch die damit verbundene Sexualmora­l – eine sehr starke Markierung nach innen und außen darstellt. Das Kopftuch normiert zu früh und stark in eine Richtung.“Im Parlament

Was die politische Situation angeht, ist die Lage durchaus spannend. Denn vorerst gibt es keine Parlaments­partei, die dem Wunsch der ÖVP laut widersprec­hen will: Die FPÖ kann mit einem Kopftuchve­rbot ideologisc­h gut leben. SPÖ wie auch Neos wollen zum Thema nichts Abschließe­ndes sagen. Zum Teil verweist man einfach nur auf die Grünen. Aber die murren ebenfalls nicht – allein schon aus Koalitions­vernunft.

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Ist das Kopftuch immer und überall Zwang? Darüber gibt es durchaus geteilte Meinungen
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