„Europa hat nichts anzubieten“
Iran/USA/Libyen. EU-Minister einigen sich auf diplomatische Offensiven, aber Hebel fehlen
Eine Woche hat es gedauert, nachdem die Tötung des iranischen Topgenerals Qassem Soleimani durch die USA die ganze Welt aufgeschreckt hatte, bis sie gestern Nachmittag zu einer Krisensitzung in Brüssel zusammenkamen: Die 28 EU-Außenminister auf der Suche nach einem Ausweg aus der gefährlichsten Krise im Nahen Osten seit Jahrzehnten.
Mit dabei auch der frisch im Amt bestätigte Außenminister Alexander Schallenberg. Österreichs Chefdiplomat brachte den Vorschlag mit, eine europäische Pendelmission einzurichten: EUVermittler sollen abwechselnd nach Teheran und Washington reisen und versuchen, auf beide Seiten deeskalierend einzuwirken. „Wenn die Parteien nicht zum Verhandlungstisch wollen, bringen wir den Verhandlungstisch zu ihnen“, sagte Schallenberg.
Tatsächlich einigten sich die EU-Minister bei ihren Beratungen gestern auf ein „starkes Verhandlungsmandat“. Mit allen Konfliktpateien soll gesprochen und eine politische Lösung gefunden werden. Und gegenüber dem Iran hält die EU fest: Teheran darf nicht endgültig aus dem AtomDeal aussteigen.
Weiters auf dem an Krisen nicht armen Diskussionsprogramm der Außenminister: Libyen. Obwohl direkt vor Europas Haustür, sah die EU dem Chaos in Libyen neun Jahre lang hilflos zu. Zur Zusammenarbeit kam es nur, um den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer nach Europa zu stoppen.
Jetzt aber ist wenige hundert Kilometer von Europas südlichen Küsten entfernt Feuer am Dach. „Ein Wendepunkt“, warnt der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell, und „zwar in die schlechte Richtung“.
Und so versucht die EU nun auch gegenüber Libyen ihre geballte diplomatische Schubkraft einzusetzen, um eine weitere Eskalation dort zu verhindern. Bei der Durchsetzung eines Waffenstillstandes will man zumindest beitragen, die Einhaltung des Waffenembargos beobachten. Wird der Einsatz Europas als ehrlicher, diplomatischer Makler reichen, um die Lage zu beruhigen?
„Wenn man mit diplomatischen Mitteln vorgeht, muss man auch den guten Willen der Streitparteien haben, sonst funktioniert das nicht“, gibt Jan Techau zu bedenken. Der Direktor des Europaprogramms beim German Marshall Fund of the United States in Berlin sieht die Europäer im Nahen Osten aber weder als „Garantiemacht, noch setzen sie ökonomische Hebel ein“.
Ohne Muskeln
„Die harte Wahrheit ist: Wenn man keine Militärmacht ist, mit der man seine diplomatischen Initiativen aufmuskeln kann, bewegt man in dieser Region auch niemanden“, sagt Techau. Das Mantra der europäischen Außenminister aber lautet: „Es kann keine militärische Lösung geben.“
Der Politikwissenschaftler bleibt skeptisch, dass Europa mit seinen diplomatischen Bemühungen „das strategische Kalkül der jeweils gegnerischen Seiten“ in den Krisenregionen durchbrechen kann. „Europa hat nichts anzubieten und nichts anzudrohen.“
Drei wirksame Mittel Dabei hätte die EU nach Meinung Techaus durchaus geopolitisch wirksame Mittel, mit denen sie Einfluss ausüben könnte: „Mit der EUErweiterung kann man Länder tatsächlich bewegen, sich zu reformieren.“Das aber hat Frankreich gerade mit seinem Nein zur Nordmazedonien und Albanien auf Eis gelegt.
Auch über den Handel könnte die Handelsgroßmacht EU ihre Interessen ausspielen und gegenüber anderen Ländern gezielter einsetzen. „Und in der Entwicklungszusammenarbeit wendet die EU gigantische Mittel auf. Aber die EU hat kaum politischen Einfluss dort, wo sie ihre Gelder ausgibt. Sie verwendet diese Gelder altruistisch.“