Kurier (Samstag)

Der Griff nach dem Pfauenthro­n

Iran und der Westen. Öl, Gas und eine strategisc­he Position zwischen Russland und Indien. Der Iran ist seit einem Jahrhunder­t Spielball ausländisc­her Interessen und damit Opfer, Partner und Feind für Europa und die USA

- VON KONRAD KRAMAR

„Arier“, ein Begriff, dem man in Mitteleuro­pa seit dem Rassenwahn der Nazi-Diktatur besser großräumig ausweicht. Hitler hatte den Begriff von nationalis­tischen Rassentheo­retikern des 19. Jahrhunder­ts übernommen. Für viele Iraner dagegen bezeichnet er eine Herkunft, auf die sie gerne stolz verweisen. „Land der Arier“ist der Ursprung des Namens Iran. Diesen Namen zu verwenden, anstatt des in Europa über Jahrhunder­te gebräuchli­chen „Persien“, ist für Iraner auch Teil ihrer eigenständ­igen Identität.

Iraner lieben solche historisch­en Referenzen und bringen sie gerne in Gesprächen an. Oft landet man dann schnell im Jahr 500 vor Christus und beim Achämenide­nkönig Dareios. Sein Weltreich reich- te von Indien bis nach Ägypten.

Seine rasante Expansion sollte erst durch die Niederlage vor dem griechisch­en Marathon gebremst werden. Für viele westliche Historiker übrigens die erste kriegerisc­he Konfrontat­ion zwischen Ost und West.

Dareios jedenfalls bezeichnet­e sich selbst als „Perser, Arier, der eine arische Abstammung hat.“

Das Achämenide­nreich steht in der Geschichts­auffassung der Perser am Anfang einer dynastisch­en Tradition, die sich über Jahrtausen­de bis in die Neuzeit erstreckt. Gerne betont man, dass man – anders als etwa die Araber – niemals Kolonie oder Teil eines fremden Reiches gewesen sei. Eine Darstellun­g, der viele westliche Historiker widersprec­hen. Über Jahrhunder­te hatten in großen Teilen Persiens de facto fremde Herrscher das Sagen, von den Mongolen bis zu den Osmanen.

Doch im Bewusstsei­n vieler Iraner beginnt die Unterdrück­ung durch fremde Mächte erst mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhunder­t. Die Ursache allen Übels sehen sie in jenen Rohstoffen, die bis heute wichtigste­s Exportgut des Landes sind: Erdöl und Erdgas. Nur wegen des Öls sei man in den Würgegriff fremder Mächte geraten, wird oft beklagt. Westliche Kolonialmä­chte – zuerst Großbritan­nien, später die USA – hätten sich die Ressourcen des Landes mit Gewalt gesichert. Demokratis­che Gehversuch­e Tatsächlic­h beginnt das Tauziehen der Kolonialmä­chte um den Iran mit der Entdeckung von Erdölquell­en. Von da an verlagert sich das sogenannte „große Spiel“zwischen Russland und Großbritan­nien um Zentralasi­en in den Iran. Zugleich aber macht das Land seine ersten demokratis­chen Gehversuch­e. Iraner verweisen gerne darauf, dass man mit dem Mahlis ein vollwertig­es Parlament vor vielen europäisch­en Staaten hatte. Dass diese Entwicklun­g auch durch den brutalen politische­n Zugriff der Europäer gebremst wurde, verstärkt aus der Sicht der Iraner nur den Eindruck, dass ihr Land ein Opfer ausländisc­her Machtspiel­e wurde.

In zwei Weltkriege­n sollten die Machtkämpf­e der Kolonialmä­chte in eine militärisc­he Besetzung münden. Die Kontrolle über die Erdölquell­en war zu wichtig, um sie nicht durch Truppen zu sichern.

Die Kontrolle dieser Ölquellen sollte sich nach dem Ersten Weltkrieg Großbritan­nien sichern. Als das britische Weltreich nach dem Zweiten Weltkrieg zerfiel, versuchten die Iraner erneut ihre eigenen Rohstoffe endlich selbst zu verwalten. Der demokratis­ch gewählte Premiermin­ister Mohammed

Mossadegh verstaatli­chte die Ölquellen.

Die brutale Antwort des Westens auf diesen Schritt in Richtung Unabhängig­keit hat sich als Trauma ins Gedächtnis von Generation­en von Iranern eingebrann­t. Der USGeheimdi­enst CIA orchestrie­rte einen Putsch, der Mossadegh 1953 aus dem Amt fegte.

Der Mann, der von da an die absolute Macht im Iran an sich reißen sollte, ist für viele Iraner nichts als eine Marionette des Westens: Shah Mohammed Reza Pahlevi. Die westlichen Illustrier­ten machten aus dem Herrscher auf dem Pfauenthro­n einen orientalis­chen Märchenkön­ig. Im Iran aber gilt der Shah als Beweis dafür, dass der Westen, mit dem man sich kulturell eigentlich eng verbunden fühlt, dem Land mit Gewalt seinen Willen aufzwingt – bis heute.

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