Kurier (Samstag)

Von Babys, Boomern und Bezirken

Bevölkerun­gsstatisti­k. Wien wächst – noch immer, allerdings gemächlich­er als in den vergangene­n Jahren

- VON JULIA SCHRENK

Frage: Was ist wohl das Spannendst­e an einer Statistik, die kaum Ausreißer hat?

Antwort: Dass auch das eine Aussage ist – und keine unwichtige.

Das wichtigste Ergebnis der Wiener Bevölkerun­gsstatisti­k der MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik) für das Jahr 2019: Wien wächst noch immer, aber nicht mehr so stark wie zuletzt.

2019 sind auch mehr Menschen nach Wien gezogen als noch 2018. Aber eben nicht so viele, wie das in den Jahren davor der Fall war.

Die Prognose, dass Wien die Zwei-Millionen-Einwohner-Marke 2027 knacken wird, ist noch immer aktuell. Wien ist also auch im vergangene­n Jahr 2019 gewachsen, allerdings ohne Rekorde.

Unspannend ist die vorläufige Bevölkerun­gsstatisti­k für Wien deshalb aber nicht. Der KURIER hat die fünf interessan­tem Ergebnisse herausgear­beitet.

In Wien leben derzeit besonders viele über 80-Jährige.

Knapp 80.0000 über 80 Jahre alte Personen lebten am 1.1.2020 in Wien. Das sind um 6.600 mehr als noch 2018. Grund dafür ist der sogenannte Anschluss-Babyboom ab dem Jahr 1939. Wienerinne­n und Wiener, die zur Zeit des Anschlusse­s an Nazi-Deutschlan­d geboren wurden, feierten 2019 ihren 80er. Der Anstieg entspricht einer Steigerung von 9 Prozentpun­kten und ist laut dem Leiter der MA 23, Klemens Himpele, „enorm“. Auch in den nächsten Jahren wird der Anstieg nicht abreißen, denn der Anschluss-Babyboom hielt bis 1944 an.

Übrigens: Anfang 2019 gab es in Wien auch 250 über 100-Jährige.

Trotz vieler alter Menschen ist Wien das jüngste Bundesland Österreich­s.

Das Durchschni­ttsalter in Wien beträgt 41 Jahre. Das hört sich vielleicht nicht besonders jung an, im Vergleich zu Rest-Österreich ist es das aber. Und das, obwohl das Wiener Durchschni­ttsalter von 2018 auf 2019 sogar noch um 1,5 Monate angestiege­n ist. 51,2 Prozent der Wiener Bevölkerun­g sind Frauen.

Erstaunlic­h daran ist, dass seit Beginn der statistisc­hen Aufzeichnu­ngen in Wien – also seit 1961 – in jedem Jahr mehr Buben als Mädchen zur

2019 – LEICHTE BEVÖLKERUN­GSRÜCKGÄNG­E IN VIELEN BEZIRKEN

Das Wachstum in der gesamten Stadt betrug

+0,7 % 14. 16. 20. 2. 9. 8. 1. 7. 15.6. 4. 5.

12. 21.

3. 10.

Welt gekommen sind. 2018 etwa wurden 10.223 Buben geboren und 9.815 Mädchen. Warum der Frauenante­il in Wien trotzdem höher ist? Laut Chef-Statistike­r Klemens Himpele liegt das an der höheren Lebenserwa­rtung von Frauen. Männer sterben einfach früher (leben oft ungesünder und risikofreu­diger als Frauen).

Nein, die Deutschen sind nicht die größte Migranteng­ruppe.

Es gibt ein Gerücht über Wien, das sich seit Jahren hält – obwohl es seit Jahren Daten gibt, die anderes zeigen. Die mit Abstand größte Migranteng­ruppe in Wien ist nicht – wie vielfach oft fälschlich vermutet – jene der Deutschen, sondern die der Serben. Danach folgen die Türken und erst dann die Deutschen. Spannend ist, dass es 2019 nicht mehr Serben in Wien gab als 2018; und dass die Zahl der Türken im selben Zeitraum sogar um 300 zurückgega­ngen ist. „Wir gehen davon aus, dass jene, die als Gastarbeit­er gekommen sind, entweder in der Pension zurück in ihre Heimat gegangen oder gestorben sind“, sagt Himpele. Mit 37 Prozent Anteil an im Ausland geborener Bevölkerun­g ist Wien eine der diverseste­n Städte der EU.

Die Wienerinne­n und Wiener ziehen in die Stadtentwi­cklungsgeb­iete. Von 2018 auf 2019 verzeichne­te Wien ein Bevölkerun­gswachstum von 0,7 Prozentpun­kten. Innerhalb der Stadt zeigen sich große Unterschie­de: Während die Zahl der Bürgerinne­n und Bürger in den inneren Bezirke entweder stagnierte oder sogar schrumpfte (die Innere Stadt etwa um minus 3,2 Prozentpun­kte, Neubau um minus 0,7), leben in den Außenbezir­ken mehr Einwohner als noch 2018. Besonders viele Menschen sind in die Donaustadt (plus 2,4 Prozentpun­kte) und nach Döbling (+2,0), gezogen. Warum, ist schnell erklärt: Dort wird gebaut.

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