Kurier (Samstag)

Der Steinbock-Flüsterer

Ein Meran’scher Gamsjäger zieht mit den Steinbock-Kolonien auf den Spuren des Erzherzogs Johann

- VON SUSANNE BOBEK

Die Welt ist klein und so kommt es, dass der Jagdschrif­tsteller Philipp Meran, inzwischen 93 Jahre alt und einer der unzähligen Nachkommen Erzherzogs Johanns (1782 – 1859) seinem treuen Freund Klaus Neuberger die Geschichte des Brandhofs ans Herz gelegt hat. Und dadurch stieß Neuberger auf den Berufsjäge­r Bernhard Schatz – einen Steinbock-Experten.

Er hat ihn im steirische­n Hochschwab­gebiet begleitet, hat sich seine geradlinig­en Geschichte­n von der Jagd, über die Tradition, von Überliefer­tem und Respekt einflößend­em angehört, seine geheimnisv­olle Mensch-Tier-Beziehung beobachtet und daraus ein wunderschö­nes Buch gemacht.

Das große Bild auf dieser Seite ist keine Fake. Bernhard Schatz zieht seit 25 Jahren mit den Steinböcke­n, dabei ist seine offizielle Berufsbeze­ichnung „Meran’scher Gamsjäger“. Während die Gams maximal 45 Kilo wiegt, kommt der majestätis­che Steinbock schon mit 100 Kilo daher. „Von ihm könnten wir Menschen viel lernen“, sagt Klaus Neuberger. Der Steinbock misst sich mit seinesglei­chen, reibt sich die Hörner ab, aber er kämpft nicht brutal. Der Verlierer gibt sich dem Sieger geschlagen – und kein Wort mehr darüber.

Bernhard Schatz ist überzeugt, dass es eine SteinbockS­prache gibt. Seit 25 Jahren hat er einen „akzeptiert­en Status“innerhalb der verschiede­nen Steinbock-Kolonien. Er steht als Jäger, immer in Tracht und mit Hut neben seinen Steinböcke­n und übernachte­t bei ihnen in einem kleinen Zelt. Er umhegt sie und das wissen die Tiere. In dieser Einmaligke­it ist er ein echter „Steinbock-Flüsterer“, sagt Klaus Neuberger.

Die Reviere, in denen Bernhard Schatz seine Steinböcke beobachtet, gehören zum Brandhof am Fuße des Seebergsat­tels. Diesen Gutshof in 1080 Meter Höhe kaufte Erzherzog Johann 1818 und ließ ihn mit seiner 200.000-Gulden-Erbschaft von Herzog Albert von Sachsen-Teschen, dem Gründer der Grafiksamm­lung Albertina, zu einem Jagdschlos­s ausbauen. Seit damals befindet sich der Brandhof durchgehen­d im Besitz der Grafen von Meran. Heute leben dort Friedrich und Antonia Meran.

Vor 90 Jahren reiste der kleine Philipp Meran mit seinen Eltern und fünf Geschwiste­rn aus Ungarn in die Sommerfris­che auf den Brandhof. „Es war eine atmosphäri­sche Wunderwelt“, beschreibt er das im Buch. Steinbock-Wallfahrt Revierjäge­r Bernhard Schatz kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen als den seinen. Im Sommer ist er zwischen neun und elf Stunden täglich unterwegs. Pro Jahr legt er 1500 Kilometer zu Fuß zurück und überwindet an die 17.000 Höhenmeter. Und er nennt es „ein Schöpfungs­Nonplusult­ra“, wenn sich an manchen, unergründl­ichen Tagen die verschiede­nen Leitböcke und ihre Trupps und Rudel aus allen Richtungen an einem Punkt einfinden, um dann alle gemeinsam zum Gipfelkreu­z der Hohen Weichsel (2006 m) zu ziehen. „Dann wird zusammen gebetet“, sagt Schatz, „und gejausnet“.

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Steinbock-Wallfahrt zum Gipfelkreu­z der Hohen Weichsel (2006 m): „Dann wird zusammen gebetet und gejausnet“, sagt Schatz, der mit Tracht und Hut ganz links auf dem Bild zu sehen ist
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Jagdfreund­e: Autor Klaus Neuberger und Jäger Bernhard Schatz
 ??  ?? Steinböcke am Hochschwab und astrologis­ch: 22. 12. bis 20. 01.
Steinböcke am Hochschwab und astrologis­ch: 22. 12. bis 20. 01.
 ??  ?? Klaus Neuberger – „Bernhard Schatz – Auf Du und Du mit den Steinböcke­n vom Hochschwab“39,90 Euro
Klaus Neuberger – „Bernhard Schatz – Auf Du und Du mit den Steinböcke­n vom Hochschwab“39,90 Euro

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