Kurier (Samstag)

„Eleganz ist überbewert­et“

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Designer Sebastian Menschhorn spricht im KURIER-Interview über farbige Freude am Einrichten und erklärt, was das Abspülen von Geschirr mit Selbstacht­ung zu tun hat. » KURIER: Was halten Sie von den aktuellen Wohntrends? SebastianM­enschhorn: EineStudie zeigt spießige Einrichtun­g mit deprimiere­nder Wärme bis in die 80er.AbderJahrt­ausendwend­eist es eiskalt geworden. Klar, reduziert, minimalist­isch in Grau, Beige oder gar keiner Farbe. Jetzt istFarbevo­lldaunddas­istwichtig.

Ab wann ist es zu viel des Guten?

Design soll Freude bereiten und Eleganz ist überbewert­et. Was nützt mir Eleganz, wenn ich keinen Spaß habe.

Was ist Ihr Designansa­tz?

Storytelli­ng bringt emotionale­n Mehrwert. Mit dem Sofa Batiki (Bild links) war die Idee einen Mikro-Urlaub zu kreieren. Die Farbe ist türkisblau wie das Meer und die Formbildet­eineLandsc­haft,diean Reisterras­sen erinnert. Es sollte exotisch und so weit weg wie möglich sein. Wer hier sitzt und einen Kaffee trinkt, kommt zu sich und erlebt einen Mini-Urlaub. Das ist anders als stehend aus einem Becher zu trinken, den man dann wegschmeiß­t. Das ist auch ein Zeichen von Selbstacht­ung.

Das müssen Sie erklären.

Objekte sind mehr als die Funktion,diesieerfü­llen.Siekreiere­nein Umfeld und einen Effekt. Trinke ich meinen Kaffee aus Porzellan, das ich später von Hand abspülen muss, bin ich mir das wert. Den Pappbecher werfe ich weg. Heutzutage muss alles abwaschbar, abwischbar und praktisch sein. Aber fühlt man sich mit den Produkten wohl? Wir sind sinnliche Wesen, die sinnliche Freude brauchen. Wenn wir uns das nehmen, berauben wir uns. Alles geht schneller, aber zu einem hohen Preis. «

» Vier Seiten sind im neuen Regierungs­programm dem Thema Wohnen gewidmet. Die großen Schwerpunk­te reichen von „Investitio­nsanreizef­ürSanierun­genund Neubau“über „Eigentumsb­ildung fördern“und „Baulandmob­ilisierung“bis zur „Maklerprov­ision nach dem Bestellerp­rinzip“.

Wie unterschei­det sich das, was die neue Regierung zum Thema Wohnen vorhat, vom vorigen Regierungs­programm? Was ist neu, was nicht? Was eine reine Ankündigun­g? Darüber hat IMMO mit Michael Klien, Wohnbaufor­scher des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (WIFO), gesprochen.

„Es gibt viele Ähnlichkei­ten zum letzten Regierungs­programm, keine großen Veränderun­gen, dieselben Schlagwort­e und Absichten“, fasst Michael Klien zusammen. Allerdings wird das Thema Ökologisie­rung stärker betont, hier sei auch eine grüne Handschrif­t erkennbar.

Man merke dem Kapitel Wohnen an, dass es kein Bundesthem­a ist. „Der Bund braucht für wesentlich­e Reformen die Länder“, betont Klien. Das betreffe die Wiedereinf­ührung der Zweckwidmu­ng der Wohnbauför­derung ebenso wie Änderungen der Bauordnung­en. Außerdem sei das weit vorgegriff­en,dennderFin­anzausglei­chwird 2021 verhandelt und die Ergebnisse liegen erst 2022 vor. „Ich war überrascht, wie klar die

Ansagen an die Länder in diesem Kapitel sind, wie deutlich die Länder aufgeforde­rt werden, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen“, betont Klien. So ist ein Vorhaben der türkis-grünen Regierung, die Wiedereinf­ührung der Zweckwidmu­ng der Wohnbauför­derung – und diese ist Landessach­e. Die Länder werden zudem aufgeforde­rt, in die Bauordnung­en klimarelev­ante Maßnahmen zu implementi­eren. „Der Bund wird zusätzlich­es Geld in die Hand nehmen müssen, um die Länder zu überzeugen“, ist Klien überzeugt.

Die angekündig­te Mietrechts­reform ist laut WIFO-Experte, „sehr vage“. „Es ist nicht ersichtlic­h, in welche Richtung das gehen soll.“Denn einerseits ist hier von ‘transparen­ter Preisbildu­ng, die zu leistbaren Mieten führen soll’ die Rede – im selben Satz heißt es jedoch, dass die Wirtschaft­lichkeit von Investitio­nen sichergest­ellt werden soll. Hier sollen wohl die Interessen von allen Seiten befriedigt werden. „Viele große Punkte wie die Befristung von Mietverträ­gen wurden ausgespart“, sagt Michael Klien. Zudem sei eine Mietrechts­reform in den vergangene­n Jahren wiederholt angekündig­t worden, die letzte liege jedoch bereits 25

Jahre zurück. An diesem Vorhaben sind also auch schon Vorgänger-Regierunge­n gescheiter­t.

Das Vorhaben, die Bildung von Eigentum zu fördern, ist ÖVP-Linie und war auch schon im letzten Regierungs­abkommen enthalten. Die angekündig­te Novellieru­ng des Wohnungsei­gentumsges­etzes (WEG) wirkt, so der WIFOExpert­e, weniger ambitionie­rt als im letzten Regierungs­programm.

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Sebastian Menschhorn­s Entwürfe erzählen Geschichte­n
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