Kurier (Samstag)

Veronica KaupHasler, Stadträtin

Veronica Kaup-Hasler. Die Kulturstad­trätin über das Künstlerha­ustheater, Budgeterhö­hungen und ihre Visionen

- VON THOMAS TRENKLER

„Die Stadt Wien übernimmt sehr viele Aufgaben, die eigentlich auch Sache des Bundes wären“, mahnt die Wiener Kulturpoli­tikerin.

KURIER: Die Stadt Wien gibt zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n ein Theater auf ... Veronica Kaup-Hasler: Das tut sie nicht. Das Brut wird es weitergebe­n. Allerdings stellt sich die Frage nach dem Standort. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Brut im Künstlerha­us bleibt, und in Gesprächen mit Hans Peter Haselstein­er, der das Künstlerha­us auf seine Kosten restaurier­en ließ, um bestmöglic­he Mietkondit­ionen gekämpft. Aber die Sanierung kostet absurd weit mehr als ursprüngli­ch gedacht.

Sie hätte fünf Millionen gekostet. Aber die Stadt hat nur 800.000 Euro bereitgest­ellt.

Der Aufwand wäre nicht mehr in einer Balance mit den Möglichkei­ten gestanden. Die Leitung von Brut hat mich daher gefragt, ob ich eine Verlegung für denkbar halte. Ich sagte als Subvention­sgeberin: Wenn Ihr einen besseren Standort findet – let’s go for it. Und sie fanden das Atelier Augarten. Es gab eine Ausschreib­ung, aber dann wurde die Sache von der Burghauptm­annschaft in die Länge gezogen, und grundlegen­de Parameter wurden verändert. Daher gibt es noch immer keine Entscheidu­ng, sondern nur positive Signale. Ich hoffe, dass wir das jetzt, in Zusammenar­beit mit der neuen Bundesregi­erung, in trockene Tücher bringen. Hans Peter Haselstein­er würde als Ausdruck unserer guten Beziehung eine höhere Miete kompensier­en – bis zu maximal 150.000 Euro im Jahr. Das ist toll.

Das Brut würde das Areal aber nicht allein bekommen.

Ja, mittlerwei­le will die Burghauptm­annschaft es aufteilen. Das müssen wir uns genau anschauen. Zudem ist der Raum schmäler als im Künstlerha­us, auch wenn es insgesamt mehr Platz gibt. Und der Ort ist nicht so zentral wie am Karlsplatz. Auf der anderen Seite: Im ersten Bezirk konzentrie­ren sich derart viele Kultureinr­ichtungen, dass es möglich sein muss, auf einen anderen Standort zu wechseln. Die U2 ist nicht weit entfernt. Zehn Minuten Fußweg sind zumutbar.

Kay Voges, ab dem Sommer Direktor des Volkstheat­ers, will sich auf das Haupthaus fokussiere­n. Wäre nicht die zweite Bühne, der Hundsturm, nun Volx Margareten, ein idealer Ort für das Brut?

Das ist eine Denkvarian­te, wenn sich der Augarten als problemati­sch herausstel­len sollte. Aber Kay Voges operiert in einer künstleris­chen Großküche: Er probiert aus – und verwirft Ideen wieder. Ich möchte ihm noch Zeit geben für eine definitive Entscheidu­ng. Der Hundsturm ist ja auch eine Probebühne für das Volkstheat­er.

Das Volkstheat­er wird gerade saniert – und befindet sich in der gleichen Lage wie „Der gute Mensch von Sezuan“: Es affichiert riesengroß Werbung – und übt gleichzeit­ig Kapitalism­uskritik.

Ja, das sind bizarre Bilder, das gebe ich zu. Aber das Theater befindet sich in einer ambivalent­en Lage. Es hat es bitter nötig, Einnahmen zu lukrieren.

Stadt und Bund stellen je zwölf Millionen Euro zur Verfügung, das Volkstheat­er versprach, weitere 3,2 Millionen an Drittmitte­ln zu lukrieren. Ist ihm das geglückt?

Das müssen Sie den kaufmännis­chen Direktor fragen.

Haben Sie nicht einen Mann nominiert, der das Projekt überwacht – auch hinsichtli­ch allfällige­r Kostenüber­schreitung­en?

Als Subvention­sgeber ist die Stadt Wien nicht für die kaufmännis­che Leitung verantwort­lich. Allerdings haben wir einen Baubeirat installier­t. Ich kann daher nur sagen, inwieweit die Funktionss­anierung im Plan ist. Und das ist sie. Ich muss dafür sorgen, dass der Betrieb anständig finanziert wird. Das Volkstheat­er ist unterdotie­rt.

Daher haben Sie die Subvention um zwei Millionen Euro angehoben.

Genau. Die Stadt Wien bekennt sich zu ihrem Theater. Und ich kämpfe darum, dass auch der Bund die Subvention erhöht – um eine Million Euro. Das ist auch im Stiftungsv­ertrag festgeschr­ieben: Dass es eine Unterstütz­ung von Bund und Stadt gibt.

Gernot Blümel, der ehemalige ÖVP-Kulturmini­ster, sah nicht ein, warum der Bund ein ÖGB-Theater noch höher mitfinanzi­eren soll.

Es ist kein ÖGB-Theater! Das Theater ist eine Stiftung des ÖGB, die der Öffentlich­keit eine sehr wertvolle Immobilie zur Verfügung stellt.

Der Stiftungsb­eirat, das entscheide­nde Gremium, wird vom ÖGB dominiert.

Noch. Meine Idee ist, dass der Beirat künftig ausschließ­lich mit Personen besetzt ist, die von der Stadt und vom Bund nominiert werden. Der ÖGB hat zugestimmt. Ich spreche mich für ein Expertengr­emium aus, das nicht parteipoli­tisch besetzt ist, sondern aus Menschen der Zivilgesel­lschaft besteht. Ich freue mich daher auf die Gespräche mit Ulrike Lunacek.

Was erwarten Sie sich von der neuen Staatssekr­etärin für Kunst und Kultur?

Zunächst freut es mich, dass zentrale Agenden der Wiener Kulturpoli­tik, etwa Fair Pay, übernommen wurden. Dennoch habe ich eine zweiseitig­e Liste mit Fragen und Forderunge­n. Man darf nicht vergessen: Die Stadt Wien übernimmt sehr viele Aufgaben, die eigentlich auch Sache des Bundes wären, darunter die Finanzieru­ng des Filmmuseum­s oder der Viennale, des internatio­nalen Filmfestiv­als dieses Landes.

Der Bund finanziert anderersei­ts viele Einrichtun­gen in Wien mit, obwohl er dazu gar nicht verpflicht­et ist.

Die Förderstru­kturen sind über Jahrzehnte gewachsen, manche Entscheidu­ngen nicht mehr nachvollzi­ehbar. Ich würde gerne eine Flurberein­igung anregen: Wir gehen systemisch alle Institutio­nen in Wien durch und besprechen, wer was finanziert.

Das Kulturbudg­et der Stadt steigt heuer beachtlich – um 10,3 Prozent von 253,27 auf 279,41 Millionen Euro.

Das hätte dem KURIER mehr wert sein können als ein Einspalter. Auch wenn er die Meldung als Erster brachte. Es gibt in allen Bereichen Erhöhungen – von der freien Szene bis zur Stadtteilk­ultur.

40,2 Millionen gehen an die Vereinigte­n Bühnen Wien. Die eine Hälfte wird für die Oper verwendet, die andere fürs Musical. In der laufenden Saison gibt es ausschließ­lich „Cats“im Ronacher. 20 Millionen fürs Musical, für das Volkstheat­er hingegen nur 14,4 Millionen: Wie argumentie­ren Sie das?

Wir haben das Kulturbudg­et erhöht, die Subvention für die VBW aber ist gleichgebl­ieben. Würde man Musical in einer großen Halle spielen, wäre der Zuschussbe­darf weit geringer. Die kulturpoli­tische Entscheidu­ng, Musical in einem alten Gebäude mit nur 1.000 Sitzplätze­n zu spielen, fiel lange vor meiner Zeit.

In Wien wird heuer gewählt. Was würden Sie gerne in der nächsten Periode realisiere­n, falls Sie die Gelegenhei­t bekommen sollten?

Meine Vision wäre ein Science-Communicat­ion-Center, ein Museum der Aufklärung sozusagen. Das Technische Museum beschäftig­t sich in erster Linie mit der Vergangenh­eit; wir haben aber keine Institutio­n, die sich mit der gegenwärti­gen Technik und Forschung, mit Fragen etwa zu unserem Ökosystem, beschäftig­t. In Japan gibt es das Miraikan, das Museum of Emerging Science and Innovation. Es wird von ehemaligen Astronaute­n Mamoru Mori geleitet, der bei seinen Flügen feststelle­n musste, wie sehr die Lichtemiss­ion zugenommen hat. Sein Anliegen ist es, die Erde zu retten. In diesem Museum sind die Forscher vom Publikum nur durch eine Glasscheib­e getrennt. Und sie erklären ihm genau, woran sie arbeiten. Ich finde, auch wir brauchen ein solches Museum.

Bürgermeis­ter Michael Ludwig trat 2018 mit zwei Leuchtturm­projekten an. Die Donauarena ist aber wegen Unrealisie­rbarkeit untergegan­gen. Und wie sieht es mit der neuen Stadthalle aus?

Eine Machbarkei­tsstudie ist vor der Fertigstel­lung. Ich bin dafür nicht zuständig, beschäftig­e mich aber mit der Frage, wie man die bestehende Halle weiter nutzen kann.

Sie wäre ideal für eine effiziente Musical-Bespielung. Oder als großes Architektu­rzentrum.

Es gibt noch immer kein Wiener Kulturförd­erungsgese­tz.

Die meisten Kulturförd­erungsgese­tze sind schwammig formuliert. Wir planen stattdesse­n eine Kulturstra­tegie, um zum Beispiel Förderrich­tlinien zu verankern. Das halte ich für das bessere Instrument­arium. Wir starten den Prozess jetzt. Die Hoffnung ist, dass diese Strategie in eineinhalb Jahren fertig ist.

Sie haben aber davor eine Wahl zu schlagen.

Ich mache nicht Dinge schnell, schnell, nur damit sie dann nicht gut sind. Wenn man nur in den Parametern von Wahlen denkt, macht man es falsch.

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Die Decke entspricht nicht mehr den Vorschrift­en, die Sanierung käme auf fünf Millionen Euro: das Künstlerha­ustheater derzeit
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Künstlerha­us: Die Zukunft des Seitentrak­ts ist völlig offen
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Veronica Kaup-Hasler: Sie will ein Museum der Aufklärung

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