Kurier (Samstag)

Gernot Blümel, Finanzmini­ster

Finanzmini­ster. Gernot Blümel will umweltschä­dliches Verhalten „bepreisen“und rechnet sich Chancen als Bürgermeis­terkandida­t aus

- VON MARTINA SALOMON UND MICHAEL BACHNER

Umweltschä­dliches Verhalten soll „bepreist“werden, kündigt der Minister an. In Wien wünscht er sich Tourismusz­onen mit Sonntagsöf­fnung.

Der neue Hausherr im Finanzmini­sterium hat sich viel vorgenomme­n. Fragen zu Budget und Steuerrefo­rm beantworte­t er sachlich-routiniert. Emotionale­r wird er erst beim Thema Wien. Im Herbst tritt er dort als ÖVPSpitzen­kandidat an.

KURIER: Sind Sie ein Wunderwuzz­i? Minister, Regierungs­koordinato­r, Spitzenkan­didat in Wien, bald Vater – geht sich das alles aus?

Gernot Blümel: Ich nehme das einmal als Kompliment, vielen Dank. Aber niemand ist ein Wunderwuzz­i. Wir haben auch unter Türkis-Blau bewiesen, dass wir sehr gerne, viel und profession­ell arbeiten.

Aber Sie sind ja nicht der geborene Finanzwiss­enschafter, und das Finanzress­ort ist entscheide­nd in der Regierung. So nebenher macht das niemand.

Nebenher macht das niemand, auch ich nicht. Ich bin Politiker, das bringe ich ein. Außerdem kenne ich das Haus schon aus den letzten Jahren in meinen verschiede­nen Funktionen. Hier gibt es extrem viele gute Experten.

Böse Zungen behaupten, dass Sie das Haus ohnehin schon gemeinsam mit Ex-Generalsek­retär Thomas Schmid in der Zeit Hartwig Lögers ferngesteu­ert haben.

Das ist sicherlich nicht richtig. Wir wären bei Weitem nicht dort, wo wir finanzpoli­tisch und budgetär sind, ohne die ausgezeich­nete Arbeit von Hartwig Löger. Aber das ist auch immer eine Teamanstre­ngung, das schafft niemand alleine.

Sie sind seit 2003, wenn man Karl-Heinz Grasser mitrechnet, der 8. Finanzmini­ster der ÖVP in Folge. Gibt es ein Motto, unter dem Ihre Budgetrede am 18. März steht?

„Verantwort­ung für Österreich“trifft es ziemlich gut. Drei Dinge habe ich mir vorgenomme­n: auch weiterhin keine neuen Schulden machen. Ich will, dass Österreich endlich die Maastricht-Kriterien von maximal 60 Prozent Staatsvers­chuldung vom BIP erfüllt. Zweitens die Menschen weiter entlasten. Und in der Regierungs­koordinati­on mit Werner Kogler gemeinsam darauf schauen, dass der türkis-grüne Motor nicht ins Stottern kommt.

Keine neuen Schulden, keine neuen Steuern, dazu Investiere­n und Entlasten. Klingt nach Quadratur des Kreises.

Die Steuer- und Abgabenlas­t soll sinken. Wir setzen eine Taskforce ein zur Frage: Wie kann man umweltschä­dliches Verhalten bepreisen? Da kommen Maßnahmen. Unterm Strich wollen wir die Menschen aber mehr entlasten als belasten. Bereits unter Türkis-Blau haben wir gezeigt, dass beides möglich ist: Steuern senken und keine neuen Schulden machen.

Wer wird zur Kasse gebeten? Autofahrer? Industrie?

Wir schauen uns die Modelle erst an, um weder Standort noch Arbeitsplä­tze zu gefährden.

Wenn der Tanktouris­mus sinkt, fehlt eine Steuer-Milliarde oder mehr im Budget.

Ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn es heißt, das kann sich alles nicht ausgehen. Nicht einmal die Experten des Finanzmini­steriums wissen das schon, weil erst konkrete Gesetzesvo­rschläge die Möglichkei­t für konkrete Berechnung­en bieten. Lassen wir zuerst die Taskforce die Arbeit aufnehmen und diskutiere­n wir jetzt keine Einzelmaßn­ahmen.

Wie schaut es mit weiteren Einsparung­en aus, um die Vorhaben zu stemmen?

Bei einem straffen Budgetvoll­zug ist viel möglich, das haben wir schon beim letzten Mal bewiesen. Oft war das Hauptprobl­em ja, dass man sich unterjähri­g bei neuen Ideen in der Koalition gegenseiti­g hinauflizi­tiert und letztlich neue Schulden gemacht hat oder sich neue Steuern hat einfallen lassen. Das ist nicht unser Weg.

Wie zuletzt bei der Hacklerreg­elung, wenn auch dem Wahlkampf geschuldet. Was kommt da jetzt wirklich?

Das beschlosse­ne System ist ungerecht. Wir wollen uns ganz genau anschauen, welche Effekte das auf welche Gruppen hat und wo man Gegenmaßna­hmen für soziale Härtefälle braucht. Sobald das Ergebnis vorliegt, werden wir entscheide­n.

Wann wird die kalte Progressio­n abgeschaff­t?

Wir haben weiterhin das Ziel, die kalte Progressio­n auslaufen zu lassen. Aber wichtiger ist sicherlich die Lohnsteuer­senkung.

Werden Parlament und Opposition mehr einbezogen? In der vergangene­n Periode gab es Kritik, weil Materien durchgepei­tscht wurden.

Diese Kritik konnte ich nie nachvollzi­ehen. Wenn ich die Einbindung der Opposition auf Bundeseben­e mit der Einbindung der Opposition in Wien vergleiche, dann hat Wien Aufholbeda­rf. Die Minderheit­enrechte im Bund, etwa beim U-Ausschuss, hätte ich in Wien auch gerne.

Stichwort Wien: Was würde anders werden unter einem Bürgermeis­ter Blümel?

Viel! Als Erstes würde ich Tourismusz­onen einführen. Es ist absurd, dass Touristen an Sonntagen in Wien ihr Geld nicht ausgeben dürfen, sondern nach Bratislava zum Einkaufen und dann wieder zurückgeka­rrt werden, weil es in Wien einfach schöner ist. Tourismusz­onen würden Umsatz und Arbeitsplä­tze bringen. Das kann der Bürgermeis­ter mit einem Federstric­h ändern.

„Da kommen Maßnahmen. Unterm Strich wollen wir die Menschen aber mehr entlasten als belasten.“Gernot Blümel Finanzmini­ster (ÖVP)

Das will aber möglicherw­eise auch Ihre Wirtschaft­skammer nicht.

Das glaube ich nicht.

Was wäre noch anders?

Wien war bisher das Mekka der falsch verstanden­en Willkommen­skultur. Die große Ungerechti­gkeit des Wiener Mindestsic­herungssys­tems hätte durch eine Bundesrege­lung gelöst werden sollen. Die SPÖ hat dagegen geklagt und beim Verfassung­sgerichtsh­of teilweise recht bekommen. Das politische Problem ist aber noch immer da, jetzt muss es RotGrün in Wien lösen. Dazu kommt das ungerechte Teuerungsg­esetz in Wien für Wasser, Abwasser etc. – das verteuert automatisc­h und ständig das Leben der Wienerinne­n und Wiener und gehört abgeschaff­t. Wien ist außerdem das einzige Bundesland, in dem das Spitalswes­en noch immer nicht ausgeglied­ert ist. Bürgermeis­ter, Gesundheit­sstadtrat und Magistrats­direktor haben vollen Zu- und Durchgriff auf den KAV. Das ist die Definition von dauernder politische­r Interventi­on. Da würde ich unmittelba­r etwas tun. Damit endlich Profession­alität einkehrt und die Skandale ein Ende haben.

Die ÖVP war bei der letzten Wien-Wahl einstellig. Ist es nicht Fantastere­i zu glauben, heuer den Bürgermeis­tersessel zu erobern?

Stimmt, wir starten von einem sehr niedrigen Niveau. Aber gleichzeit­ig war die Wahrschein­lichkeit in den letzten 100 Jahren noch nie so groß, dass Wien neu regiert werden kann.

Also Türkis-Grün-Pink?

Das wäre eine theoretisc­he Mehrheit. Aber zuerst sind die Wählerinne­n und Wähler am Wort.

Sie koalieren im Bund mit den Grünen und müssen gegen Rot-Grün in Wien wahlkämpfe­n. Schwierig?

Ich schätze Birgit Hebein sehr, auch wenn Grüne und Türkise gänzlich anders ticken. Daher sprechen wir ja vom „Besten aus beiden Welten“.

Läuft der Spitzenste­uersatz von 55 Prozent für Einkommen jenseits einer Million Euro aus? Die FPÖ hatte der ÖVP eine Verlängeru­ng abgerungen, die Grünen nicht. Das ist noch nicht entschiede­n.

Sie waren mit Norbert Hofer Regierungs­koordinato­r, da stimmte die Chemie. Wie verstehen Sie sich mit dem grünen Koordinato­r Kogler?

Ich schätze Norbert Hofer nach wie vor. Werner Kogler ist ein Überzeugun­gstäter im positiven Sinn, inhaltlich in seinen Bereichen sehr tief drinnen. Er hat aber auch die Gabe, festgefahr­ene Verhandlun­gssituatio­nen mit einem guten Schmäh zu entkrampfe­n. Ich glaube, das wird eine gute Zusammenar­beit.

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 ??  ?? Mit Blick nach oben und auf den Steffl: Der neue Finanzmini­ster, Regierungs­koordinato­r und Wien-Wahlkämpfe­r Gernot Blümel
Mit Blick nach oben und auf den Steffl: Der neue Finanzmini­ster, Regierungs­koordinato­r und Wien-Wahlkämpfe­r Gernot Blümel
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Finanzmini­ster Gernot Blümel im Gespräch mit KURIER-Chefin Martina Salomon und Politik-Redakteur Michael Bachner

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