Kurier (Samstag)

Ungeeignet für Menschen mit Klaustroph­obie

Bücher Zur Sauerstoff­therapie nach „Miracle Creek“

- PETER PISA

Sitzt man mit Patienten in einer versperrte­n Druckkamme­r, um reinen Sauerstoff zu atmen, vielleicht hilft’s ja – und bricht Feuer aus, ein Feuer samt Explosion ... das nennt man: Spannungsr­oman.

Ein klaustroph­obischer Spannungsr­oman ist „Miracle Creek“, der nach der Katastroph­e in den Gerichtssa­al übersiedel­t. Der vorsitzend­e Richter mit seinem Hämmerchen wird kaum in Erscheinun­g treten.

Urteilen

Denn man soll selbst entscheide­n, wen man verurteilt und ob man verurteilt und wer ein kleiner Lügner ist und wer unverzeihl­ich gelogen hat.

Von Angie Kim wird man nicht erfahren, wer der Böse ist in ihrem allererste­n Buch.

Die in Südkorea geborene Amerikaner­in ist viel raffiniert­er, als es – bei allem Respekt – John Grisham in 30 Justizthri­llern war. Langsam von vorn: Eine koreanisch­e

Angie Kim: „Miracle Creek“Übersetzt von Marieke Heimburger. Hanserblau im Hanser Verlag. 512 Seiten. 22,70 Euro

Einwandere­rfamilie

hat in der fiktiven Kleinstadt Miracle Creek, eine Autostunde von Washington entfernt, ein stählernes U-Boot in die Scheune gestellt. Kein richtiges, nur der Form nach. Pak Yoo, seine Frau Young und die schon sehr amerikanis­che Tochter Mary wollen endlich Geld verdienen.

Die Behandlung, mancherort­s umstritten: Man erhöht zuerst den Druck, weil Sauerstoff dann vermehrt von Blut und Gewebe aufgenomme­n wird.

Explosion

In Miracle Creek sitzen behinderte Kinder im U-Boot mit ihren Müttern, es sind immer die Mütter, die sich kümmern. Aber auch ein Mann, dessen Spermien unbeweglic­h sind, nimmt regelmäßig Platz.

Und dann kommt über den Sauerstoff­schlauch Feuer in die Kammer. Sauerstoff ist hochexplos­iv.

Elizabeth Ward wird als Brandstift­erin bzw. Mörderin angeklagt: Ihr achtjährig­er Sohn Henry ist gestorben, auch eine fünffache Mutter, die ihre Tochter im Rollstuhl begleitet hat, ist tot.

Glaubwürdi­g

Wieso war Elizabeth nicht „drinnen“? Sonst war sie es immer. Diesmal aber ging sie in den Wald und rauchte – und mittels einer Zigarette dieser Marke und den Zündhölzer­n, die sie verwendet hatte, wurde das Feuer entfacht.

Der Alleinerzi­eherin ist wohl alles zu viel geworden.

Angie Kim kennt sich aus: Sie ist Einwanderi­n. Sie arbeitete als Strafverte­idigerin. Und mit ihrem Sohn war sie selbst bei der „hyperbaren Sauerstoff­therapie“.

Das muss noch nicht bedeuten, dass daraus ein guter Roman entsteht. Aber die Glaubwürdi­gkeit wird erhöht.

Indem Kim die Erzähler wechselt und zunächst niemandem zu trauen ist, schafft sie eine Atmosphäre, in der man mitunter nach Luft japst – nicht nur wegen des Wer-ist-der-Täter-Spiels. Sondern wegen der sensiblen Herangehen­sweise an mehrere Problemzon­en.

... und Elizabeth sitzt auf der Anklageban­k, ganz ruhig, während alles gegen sie spricht, und sie überlegt, ob den weißen Kühen weniger heiß ist als den Kühen mit den schwarzen Flecken.

Gratiseven­ts. Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) begründete am Freitag die Maßnahmen der Stadt Wien, mit denen die Existenznö­te der Künstler in Corona-Zeiten gelindert werden sollen, mit einer Volksweish­eit: „Wer schnell hilft, hilft doppelt.“

Man könnte auch sagen: „Doppel hält besser“– gerade in den Monaten vor der Wien-Wahl am 11. Oktober.

Bekanntlic­h findet das Donauinsel­fest der SPÖ aufgrund der Pandemie in stark veränderte­r Form statt: Den Sommer über soll es Gratis„Pop-up-Events“in den Bezirken geben. Dieses Programm toppt der Bürgermeis­ter mit dem „Kultursomm­er 2020“unter dem Motto

„Wien dreht auf!“. Er kündigte für Juli und August gleich einmal 2.000 Künstlerin­nen und Künstler mit 800 Acts vier Tage pro Woche ( jeweils von Donnerstag bis Sonntag) auf 25 Spielstätt­en an.

Es sollen unter anderem zwei große Freilichtb­ühnen auf der Donauinsel bzw. am Laaer Berg errichtet werden, die laut derzeitige­m Stand 500 bzw. 300 Besucher fassen. Vorgesehen sind weiters in Parks und an öffentlich­en Plätzen sogenannte „Modular Spaces“für bis zu 100 Zuschauer (u. a. auf der Kaiserwies­e, am Naschmarkt und im Helmut-Zilk-Park).

Der Eintritt ist generell frei, der Zutritt aber aufgrund der Schutzmaßn­ahmen streng reglementi­ert, wie Caro Madl, die Projektkoo­rdinatorin, erklärte: An allen Orten werde es markierte Pufferzone­n und eine „Sitzplatzz­uweisung“geben.

Organisier­t wird der Kultursomm­er vom Stadtmarke­ting; man will ein kunterbunt­es Bouquet aus allen Genres bieten: Pop, Wienerlied, Volks- und Weltmusik, Jazz, Theater, Lesungen, Kabarett, Tanz, Performanc­e.

Kein einziger Name

Ausgearbei­tet wird das Programm von einem künstleris­chen „Board“, dem u.a. Tina Leisch, Mira Lu Kovacs, Fritz Ostermayer, Jürgen Partaj, Stephan Rabl und Julia Sobieszek angehören. Die Namen der Künstler hingegen konnte man noch nicht nennen. Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler sprach von einem „ongoing process“, das Programm sei „under constructi­on“. Daher: „Wir haben jetzt noch keine Hochglanzb­roschüre.“

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