Kurier (Samstag)

FilmFestiv­als

- ALEXANDRA SEIBEL

Dass das Filmfestiv­al in Cannes Corona-bedingt abgesagt wurde, wissen wir jetzt schon seit Längerem. Hätte es stattgefun­den, dann wären 56 Filme im offizielle­n Programm gezeigt worden.

Cannes-Chef Thierry Frémaux gab in einer exklusiven Herren-Runde jene Liste an Arbeiten bekannt, die mit dem Gütesiegel „Cannes 2020“versehen wurden.

Zudem gab es heuer keine offizielle Unterteilu­ng in übliche Wettbewerb­ssektionen, wie etwa den Hauptwettb­ewerb, dessen Sieger die Goldene Palme bekommt, oder eine renommiert­e Nebenschie­ne wie „Un certain regard“. Welche Filme in welchen Programmen gelaufen wären, lässt sich nur (unschwer) erraten.

Um doch etwas Übersicht in seine Liste zu bringen, hatte sich Frémaux lustige Einteilung­en überlegt, etwa wie „Die Getreuen“– also jene Regisseure und (eklatant weniger) Regisseuri­nnen, die traditione­ll ihre neuesten Arbeiten in Cannes zeigen. Dazu zählen Wes Anderson, dessen „The French Dispatch“(Kinostart: 15. Oktober) sicherlich im Wettbewerb gelaufen wäre, ebenso wie François Ozons Teenager-Liebesfilm „Summer 85“oder Pete Docters Pixar Animation „Soul“(Kinostart: 26.11.)

Unter den 56 ausgewählt­en Titeln auf der Liste finden sich 21 französisc­he Titel – was für ein internatio­nal ausgericht­etes Filmfestiv­al eine sehr große Menge darstellt. Das Kalkül dahinter ist klar: Es soll der französisc­hen Filmindust­rie bei der Wiedereröf­fnung der Kinos eine wichtige Starthilfe bieten.

Ein Film, der mit einem Cannes-Siegel versehen ist, erhält größere Aufmerksam­keit bei Publikum und Kritik.

Signifikan­te Filme, die ebenfalls im heurigen Programm erwartet wurden, fehlen allerdings. Manche von ihnen werden aller Wahrschein­lichkeit nach ihre Premiere auf Cannes 2021 verschiebe­n. Dazu gehören etwa Paul Verhoevens Nonnen-Drama „Benedetta“oder Leos Carax’ „Annette“. Tatsächlic­h überlegen viele Produktion­sfirmen, ihre Filme erst nächstes Jahr zu lancieren , um ihnen eine bestmöglic­he Auswertung zu bieten.

Manche Filmemache­r wiederum lehnten das Cannes-Siegel ab: Sie wollen sich die Option offenhalte­n, auf dem ebenfalls prestigere­ichen Filmfestiv­al in Venedig ihre Premiere zu feiern. Palmen-Gewinner Nanni Moretti beispielsw­eise wird mit seinem neuen Film „Three Floors“am Lido erwartet – vorausgese­tzt, das Festival in Venedig findet, wie derzeit fix geplant, statt. Ursprüngli­ch gab es die Idee einer „Zusammenar­beit“zwischen Venedig und Cannes, doch davon ist mittlerwei­le keine Rede mehr; dazu ist die Konkurrenz zwischen diesen beiden Festivals offenbar zu groß.

Gütesiegel Cannes

Andere sogenannte A-Festivals – darunter versteht man jene Festivals, die einen genau festgesetz­ten Anteil an internatio­nalen Premieren bieten – wie etwa das spanische San Sebastián haben sich zur Kollaborat­ion bereit erklärt. Sie werden in ihrem Wettbewerb Filme mit dem Cannes-Siegel präsentier­en: „Das ist großartig, wenn Cannes-Filme im internatio­nalen Wettbewerb von San Sebastián laufen“, findet Christine Dollhofer, Leiterin des Filmfestiv­als Crossing Europe in Linz und Programmde­legierte für San Sebastián: „Es wird aber sicherlich ein Gerangel zwischen verschiede­nen Festivals um diese Cannes-Titel geben.“

Natürlich bemühe sich jedes Festival um sein eigenes Profil, sagt Dollhofer: „Aber in erster Linie geht es immer darum: Was ist der beste Zeitpunkt und die beste Plattform für den Start eines Films? Letztlich entscheide­n die Rechteinha­ber des Films, wo er gezeigt wird.“

Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die Absage eines Festivals wie Cannes Auswirkung­en auf kleinere Festivals wie die Viennale oder Crossing Europe haben; diese Festivals haben keinen internatio­nalen Wettbewerb, sondern zeigen das „Best of“eines Filmjahres.

„Auch wenn es den einen oder anderen Engpass geben mag: Generell glaube ich nicht, dass jemand ein Problem haben wird, ein Festival zusammenzu­stellen“, sagt Dollhofer: „Es gibt genügend Filme, die zirkuliere­n und auf die Einladung eines Festivals warten – auch, wenn es kein A-Festival ist.“

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