Kurier (Samstag)

Reisen und Ankommen

Das Debütalbum der Österreich­erin verbindet Soul, Jazz, Pop und Electronic­a

- VON MARCO WEISE Von Oehl zu Solo

Stellen Sie sich vor, Sie dokumentie­ren zehn Jahre lang Ihre Gefühle, Sorgen, Gedanken sowie alltäglich­en Launen in einem Tagebuch und präsentier­en diesen – nun ja – Seelenstri­p dann der Öffentlich­keit.

So könnte man den langjährig­en Arbeitspro­zess von Elena Shirin verkürzt zusammenfa­ssen, unter den die 23jährige österreich­ische Musikerin nun endlich einen Schlussstr­ich ziehen kann: „From A To Be“nennt sich ihr erstes Soloalbum.

Ursprüngli­ch wollte die aus der Bildenden Kunst stammende Sängerin nie auf der Bühne stehen – bis sich die Musik während ihrer Fotografie-Ausbildung an der Graphische­n in Wien in den Mittelpunk­t gedrängt hat. Shirin sei in die Rolle als Sängerin hineingewa­chsen und sehe jetzt die Bühne als Chance, um Botschafte­n zu teilen, die ihr am Herzen liegen. „Dabei geht es meist um die Selbstwahr­nehmung, den Umgang miteinande­r, unsere Gesellscha­ft und natürlich um Liebe; um Dinge, die mich inspiriere­n, die mich fasziniere­n. Aber auch um Dinge, die ich scheiße finde. Alles bekommt seinen Platz“, schreibt Shirin dem KURIER per eMail.

Die mit einer eleganten SoulStimme gesegnete Sängerin hat sich bei einigen musikalisc­hen Projekten ausprobier­t – sie war etwa Teil des Elektropop-Formation Aramboa und Gründungsm­itglied der aktuell sehr erfolgreic­hen Band Oehl. Letztere musste sie früh verlassen. „Ich habe das Projekt nicht weiterverf­olgt, weil ich damals begonnen habe, in Linz an der Bruckner Universitä­t zu studieren und mein Solo-Projekt als Priorität setzen wollte. Ich bin aber jedes Mal glücklich zu sehen, wie Ariel und Hjörtur Oehl rocken. Es ist schön zu sehen, dass die deutsche Sprache so eine wahnsinnig schöne Tiefe der Musik haben kann.“

Nach diesen Kollaborat­ionen wollte die aktuell in den USA lebende Musikerin ihre eigenen Songs verwirklic­hen, die sie schon lange mit sich herumträgt. Und so ist das Debütalbum „From A To Be“auch eine Art Werkschau ihres bisherigen Schaffens, welche die vergangene­n zehn Jahre ihres Lebens Revue in

passieren lässt: „Cleaned Up Inner Yard“nennt sich der älteste Song. Dessen Grundgerüs­t hat Elena Shirin als 12-Jährige geschriebe­n. Nun wurde das Lied zwar noch feiner ausformuli­ert und etwas anders arrangiert, „aber der Text und die Kompositio­n sind zehn Jahre alt“, wie Shirin sagt.

Der Ursprung von Elena Shirins Musik ist ein trauriger. Als sie mit zwölf Jahren ein traumatisc­hes Erlebnis in ihrer Familie verarbeite­n musste, habe sie angefangen, ihre Gefühle aufzuschre­iben, um sich selbst zu helfen. Nach und nach wurden diese Gedanken und Gedichte vertont – mitunter habe es Jahre gedauert, bis sie das richtige musikalisc­he Bett für die Texte gefunden hat, erklärt Elena Shirin.

Das klangliche Fundament der Songs hat sie selbst gelegt – auch wenn ihr das oft schwergefa­llen sei. Aber: „Learning by doing. Das ist meine Religion. Es ist immer der härtere Weg, alles selbst zu machen, allerdings kann dir dieses Wissen dann keiner mehr wegnehmen.“

Für die Umsetzung holte sie sich trotzdem Hilfe von Gastmusike­rn wie Cellist Matthias Bartolomey (vom Duo Bartolomey­Bittmann). Aufgenomme­n und produziert wurde das Album von David Furrer, der noch Bass, Perkussion-Elemente, Hintergrun­dgesang und E-Gitarre eingespiel­t hat.

Herausgeko­mmen ist ein kunterbunt­er und gute Stimmung verbreiten­der Mix – von poppigen Klavier-Balladen über Hip-Hop, Soul, R ’n’ B, Electronic­a bis hin zu komplexere­n, manchmal jazzigen Harmonien und clubtaugli­chen Sounds. Shirins Gesang bewegt sich mit großer Leichtigke­it und Eleganz, manchmal leicht rau und mit dezentem Soul-Timbre, durch die vielen verschiede­nen musikalisc­hen Facetten.

„From A To Be“ist auch eine Geschichte des Reisens. Die Songs sind nämlich auch an unterschie­dlichen Orten entstanden. „Ich hatte immer mein Aufnahmege­rät dabei und konnte mir so eine Datenbank an Field Recordings aufbauen“, sagt Shirin. „Was meine Zukunftsmu­sik angeht, werde ich nach wie vor offen bleiben, jedoch hab ich einen Sound für mich gefunden, mit dem ich mich sehr wohlfühle. Ich will die Leute tanzen sehen.“

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