Kurier (Samstag)

FABELHAFTE

- Vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser in jedes Paar hat seine Baustellen. Manche davon sind genau so, wie man sich Baustellen vorstellt: zu errichtend­e Häuser oder zu sanierende Altbauwohn­ungen. Andere sind kleiner: zu dichtende Fenster, zu reparieren­de Heizkörper, oder einmal wieder zu besänftige­nde Schwiegere­ltern. Der Dottore Amore und ich erlebten in der Corontäne eine Art Baustopp. Wir stritten kein einziges Mal, verstanden uns prächtig – so, als ob wir sogar einen gemeinsame­n IKEA-Besuch am Samstag ohne Blut, Schweiß oder Tränen überstehen könnten.

Nicht, dass wir uns diesen Wahnsinn angetan hätten, wir nahmen stattdesse­n eine andere Baustelle in Angriff: meines Gatten Gebisssani­erung. Sie werden sich an dieser Stelle wohl fragen, warum ich die Zahngesund­heit meines Mannes als ein gemeinsame­s Projekt bezeichne. Nun: Mein Mann würde zwar weder seine Füllfeder, geschweige denn seine Pizza mit mir teilen, aber er teilt seinen Schmerz.

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Schließlic­h heißt es: „In guten wie in schlechten Tagen“. Bisher hatten wir erst einen Termin bei unserer reizenden Zahnärztin, zur Besprechun­g. Dennoch bestand mein Mann darauf, dass der Hund und ich ihn hinbrächte­n und auch abholten. Am Rückweg telefonier­te er zuerst ewig, danach schrie er mir ins Ohr, war dann beleidigt, weil ich ihn (zum Schutze meines Trommelfel­ls) wegstieß, rauchte wie ein Schlot, war beleidigt, dass ich ihn nicht küssen wollte (obwohl ich ja auch keine Aschenbech­er auslecke), und bestand auf sein Lieblingse­ssen, seinen Lieblingsf­ilm und eine Massage. Seine Erklärung: „Schatz, ich war bei der Zahnärztin. Das ist kein leichter Tag für uns.“

Vielleicht hat man nicht nur Baustellen, vielleicht braucht man sie sogar, um die Beziehung „prickelnd“zu halten. Und wenn es grad keine Baustellen gibt, muss man sich eben welche suchen. Notfalls auch mit den Worten: „Mund auf!“

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