Kurier (Samstag)

Friedrich Merz, CDU-Politiker

CDU-Politiker beklagt immer größere Abhängigke­it von China

- VON RICHARD GRASL

„Die letzten Jahre waren keine guten für Europa, jetzt werden wir ins kalte Wasser geschmisse­n und müssen schwimmen lernen“, sagte er in Wien.

Er könnte der nächste deutsche Kanzler sein, und geht es nach seinem Selbstvert­rauen, dann besteht kaum ein Zweifel daran. Friedrich Merz, einer von drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz, rhetorisch versiert und wirtschaft­skonservat­iv, war am Freitag Gastredner bei einem virtuellen Talk der Raiffeisen­bank Internatio­nal.

Und er sprach – wie so oft im Superlativ – von einer derzeit stattfinde­nden „Neuzeichnu­ng der Welt, bei der wir alle Zeitzeugen sind“. Wobei Europa aus seiner Sicht zu sehr Zeuge und zu wenig Hauptakteu­r ist. „Die letzten Jahre waren keine guten für Europa, und jetzt werden wir in das kalte Wasser geschmisse­n und müssen schwimmen lernen“, glaubt Merz, der durch Corona eine letzte Chance auf ein Umdenken sieht.

Konkret beklagt Merz eine viel zu große Abhängigke­it von den USA, vor allem aber und immer stärker von China. „Corona hat uns gezeigt, dass wir selbst bei simplen Produkten wie Gesichtsma­sken China brauchen.“Schlimmer noch in der Pharmaindu­strie oder in der Digitalwir­tschaft. „Wir haben gehörig an Souveränit­ät abgegeben. Die gegenseiti­gen Abhängigke­iten mit China gehen immer mehr zu unseren Lasten.“

Airbus als Vorbild

Europa brauche daher eine China-Strategie, so Merz. Dass diese nicht von einzelnen Ländern, sondern von der gesamten EU verfolgt werden muss, ist für ihn klar. Das Projekt Seidenstra­ße, in das die Chinesen eine Billion US-Dollar investiere­n, um die Handelsweg­e nach chinesisch­en Interessen zu sichern, sei ein warnendes Beispiel. Schon 16 europäisch­e Staaten haben Vereinbaru­ngen mit einem geschlosse­n auftretend­en China, da besteht die Gefahr, dass Europa auseinande­rdividiert wird.

Als gelungenes Beispiel in der EU nennt Merz die Gründung von Airbus. Vor 50 Jahren habe man als gemeinsame Kraftanstr­engung einen globalen Player geschaffen. Und so müsse das jetzt bei wichtigen Zukunftsth­emen wie Digitalisi­erung, europäisch­er Cloud, Hardund Software auch sein.

Wenig Hoffnung macht sich Merz für die Rolle der USA. „Wir können uns nicht mehr auf die Vereinigte­n Staaten verlassen. Die USA werden sich weiter auf ihre eigenen Probleme zurückzieh­en. Wenn Donald Trump fünf Monate vor der USWahl schon nach dem Militär ruft: Was tut er dann bei schlechten Umfragen fünf Wochen vorher?“, fürchtet Merz eine weitere Eskalation der Situation. Europa brauche daher eine eigene Sicherheit­sund Rüstungspo­litik.

Bezüglich der wirtschaft­lichen Corona-Bewältigun­g zeigt sich der sonst kritische CDU-Spitzenpol­itiker zufrieden: „Ich bin froh, dass es nicht nur auf Konsumstim­ulation, sondern auch auf die Wiederhers­tellung der wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit unserer Unternehme­n abzielt und dass Themen wie Innovation und Klimaschut­z forciert werden.“

Und Österreich?

Zur kritischen Frage des Publikums beim RBI-Talk, ob Österreich mit seiner harten Haltung noch zur europäisch­en Einheit beitrage, ist er – ganz Kanzlerkan­didat – diplomatis­ch: „Ich finde es gut, dass Österreich mit den sparsamen Vier eine notwendige Belebung in die Debatte um die Verwendung von öffentlich­en Finanzmitt­el bringt. Und vor allem, dass das nicht immer Deutschlan­d tun muss.“Denn das Gleichgewi­cht in der EU verschiebe sich durch den Brexit ohnehin Richtung Süden. Da müsse man eben oft auch sagen, dass mit dem Schuldenma­chen nicht alles geht.

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