Kurier (Samstag)

Umweltträu­me und -schäume

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Muss, wer C wie CO2 sagt, nicht auch A wie Atomkraft sagen? Das große EU-Klimapaket wirft einige unbequeme Fragen auf

Die deutsche Unwetterka­tastrophe zeigt, wie wichtig Maßnahmen gegen den (nicht nur, aber auch) durch Menschen verursacht­en Klimawande­l sind. Die EU stellte diese Woche ihr „Fit for 55“-Paket vor (55 Prozent des

CO2 ab 1990 sollen eingespart werden). Theoretisc­h findet diese radikale Ansage breite Zustimmung, praktisch wird sie noch Blut, Schweiß und Tränen bedeuten.

Und sie wirft provokante Fragen auf, etwa: Muss, wer C wie CO2-Reduktion sagt, nicht auch A wie Atomkraft sagen? Das ist ziemlich wahrschein­lich – die EU könnte Atomkraft sogar zu grünen Energietec­hnologien zählen, viele Staaten innerhalb und außerhalb der EU sind schon jetzt auf die (CO2-freie) Atomkraft angewiesen.

Zur Beruhigung: Wir in Österreich nicht, aber nur, weil wir das Privileg der Wasserkraf­t haben (gegen deren Ausbau einst die Grünen allerdings auch Sturm liefen). Allein in China sind 44 neue AKW geplant, in Russland 26, in Indien 14. Auch wenn diese Kraftwerke teuer in der Errichtung sind und die Endlagerfr­age nach wie vor ungeklärt ist, wird ihre Gefährlich­keit bei uns völlig überschätz­t. Bei der Statistik „Tote pro Terawattst­unde je Energieque­lle“liegt die Atomkraft an letzter Stelle, an erster mit riesigem Abstand die Kohle. Wobei von einem weltweiten Ausstieg auch hier keine Rede sein kann. Zwar werden immer mehr alte, umweltschä­dliche Kohlekraft­werke stillgeleg­t, dem stehen aber global rund 1.400 neu geplante gegenüber.

Es ist großartig, dass sich Europa als Vorreiter gegen die Erderwärmu­ng positionie­rt, obwohl es nur für zehn Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwort­lich ist. Aber es birgt auch Gefahren: Die gesteckten Ziele sind unrealisti­sch. Sie werden Hunderttau­sende Jobs vernichten und den Wohlstand in der EU gefährden – ihn dafür in Ländern (buchstäbli­ch) befeuern, wo Klimaschut­z eher klein geschriebe­n wird. Viele Experten meinen, dass die E-Mobilität eine Übergangst­echnologie ist – derzeit noch nicht „sauberer“als das fossil angetriebe­ne Auto. Abgesehen davon braucht E-Mobilität auch Strom und ausgebaute Netze. Das Setzen auf Ökostrom führt zu immer größerer Abhängigke­it von importiert­er Energie (Stichwort „Dunkelflau­te“). Im Falle eines Blackouts könnte das noch besonders „spannend“werden.

Wenig diskutiert wird auch die desaströse Landschaft­sverschand­elung, wenn Österreich wie geplant die Windkraftl­eistung verdreifac­ht. Künftig werden nicht nur Windräder, Solarpanee­le und E-Autos wichtig sein, sondern auch, dass die EU Vorreiter bei grüner Technologi­e wird. Die Bahnverbin­dung innerhalb Europas muss radikal besser, die Bodenversi­egelung reduziert werden. (Wir reden sowieso zu wenig über Grundstück­sspekulati­on und Bauwut, nur weil das Geld in „Beton“flüchtet.) Ansonsten werden sich die Umweltträu­me als -schäume erweisen.

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