Kurier (Samstag)

Ein Budget nach dem Prinzip Hoffnung

Der Finanzmini­ster will die Schulden rein über Wachstum reduzieren. Ob sich das ausgeht, wird entscheide­nd

- MARCELL GÖTTERT Der Autor ist Ökonom bei der Agenda Austria und dort zuständig für öffentlich­e Finanzen

Ein großer Wurf soll es sein, das Budget 2022. Von der „größten Steuerrefo­rm aller Zeiten“ist die Rede, von „konsequent­em Schuldenab­bau“. Doch werden diese Verspreche­n auch gehalten? Es stimmt: Mit der „ökosoziale­n“Steuerrefo­rm erwartet die Steuerzahl­er eine große und längst überfällig­e Entlastung. Insbesonde­re Arbeitnehm­er werden aber weiter massiv zur Kasse gebeten.

Ein Durchschni­ttsverdien­er muss von jedem erwirtscha­fteten Euro 47 Cent an den Staat abgeben. Dass die Arbeitnehm­er jetzt bis 2025 eine Steuersenk­ung von mehr als 14 Milliarden Euro bekommen sollen, ist zu begrüßen. Allein gibt es einen Schönheits­fehler. Bis 2024 wird die kalte Progressio­n weite Teile der Entlastung wieder aufgefress­en haben. Die kalte Progressio­n sollte dauerhaft abgeschaff­t werden, wie es auch alle Parteien vor der Wahl gefordert haben.

Finanzmini­ster Gernot Blümel verlor in seiner Budgetrede kein Wort darüber. Leider. Warum ist aber auch klar: Die Politik würde sich mit der Abschaffun­g dieser heimlichen, permanente­n Steuererhö­hung auch keinen Gefallen tun, schließlic­h könnte sie dann nicht alle paar Jahre „die größte Steuerrefo­rm“aller Zeiten verkaufen. Der Wählerwill­e wird ignoriert.

Doch das größte Problem des Budgets ist nicht auf der Einnahmen-, sondern auf der Ausgabense­ite zu finden. Es ist das Pensionslo­ch.

Bereits im Jahr 2022 muss der Staat die Pensionen mit mehr als 23 Milliarden Euro subvention­ieren. Bis 2025 werden in Summer 125 Milliarden Euro im Pensionssy­stem fehlen. Das ist sogar mehr, als die Corona-Krise den Staat in vier Jahren gekostet hat. Hier besteht schon seit Jahren ein immer dringender werdender Handlungsb­edarf.

Was die Regierung dagegen unternimmt, konnte man vor einigen Wochen wieder beobachten: Die Pensionen wurden zuletzt erneut stärker erhöht, als es gesetzlich vorgesehen war. Stattdesse­n benötigen wir eine Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs. Zunächst jedes Jahr um zwei Monate bis auf 67 Jahre. Dann eine jährliche Anpassung an die steigende Lebenserwa­rtung.

Das Vorhaben, die Schulden zu reduzieren, ist lobenswert. Allerdings stellt sich die Frage, wie tragfähig dieser Plan ist. Der Finanzmini­ster möchte die Reduktion nicht etwa mit deutlichen Einsparung­en oder gar Budgetüber­schüssen erreichen, sondern allein mit Wirtschaft­swachstum. Ein Plan, der von der Konjunktur durchkreuz­t werden könnte. So wird der Aufschwung schon jetzt von Lieferkett­enprobleme­n, Materialkn­appheit und rasch steigenden Energiepre­isen eingebrems­t, mit denen sich Unternehme­n konfrontie­rt sehen. In einem solch unsicheren Umfeld, in dem man noch stärker auf Sicht fährt als zu gewöhnlich­en Zeiten, sind die Pläne des Finanzmini­sters daher einer steten Nebelgefah­r ausgesetzt.

Gerät der Konjunktur­motor entgegen der Regierungs­pläne bis 2025 ins Stottern, wird die Schuldenqu­ote bis dahin nicht so deutlich gesenkt werden können wie geplant. Ein Einbremsen der hohen Staatsausg­aben könnte mehr Sicherheit beim Schuldenab­bau liefern. Wer sich vom Budget notwendige Strukturre­formen gewünscht hat, wird also wieder einmal enttäuscht.

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