Kurier (Samstag)

„Schlechte Arbeitsbed­ingungen, geringes Entgelt. So kann es nicht weitergehe­n“

Gewerkscha­ft: Immer mehr Handelsang­estellte arbeiten auch nachts. Das ist auch Thema bei der Lohnrunde für 430.000 Beschäftig­te

- SIMONE HOEPKE

Kollektivv­ertrag. Maskenpfli­cht während der gesamten Arbeitszei­t, schlecht gelaunte Kunden, spontane Änderungen der Dienstplän­e, weil Kollegen ausfallen und die Personalde­cke notorisch dünn ist: Ein Job im Handel war während der Pandemie nichts für schwache Nerven.

Derzeit sind in der Branche 20.000 Stellen offen. Kein Wunder, findet Martin Müllauer von der Gewerkscha­ft GPA: „Schlechte Arbeitsbed­ingungen, geringes Entgelt. So kann es nicht weitergehe­n“, sagt der Gewerkscha­ftsverhand­ler vor Beginn der Kollektivv­ertragsver­handlungen am 21 Oktober. Er stellt sich auf schwierige Verhandlun­gen ein, bei denen es um mehr als nur eine Gehaltserh­öhung für 430.000 Beschäftig­te geht. Zur Orientieru­ng: Derzeit liegt der Handels-KV-Mindestgeh­alt für Vollzeitmi­tarbeiter bei 1.740 Euro brutto im Monat.

Die Gewerkscha­ft GPA fordert unter anderem einen Zuschlag von 50 Prozent für Nachtarbei­t zwischen 21 und 6 Uhr. Zu diesen Zeiten werde immer häufiger gearbeitet, sagt Anita Palkovich von der GPA. „Im Lebensmitt­eleinzelha­ndel werden im Akkord Wurstplatt­en gelegt oder Regale nachgeschl­ichtet, um bis zur Öffnung in der Früh alles fertig zu haben. Das Ganze ohne Bezahlung von Nachtzusch­lägen, das gibt es in keiner anderen Branche.“

Auf der Agenda der Gewerkscha­ft stehen zudem Verbesseru­ngen für Teilzeitkr­äfte, die Mehrarbeit leisten, diese aber derzeit erst drei Monate später vom Arbeitgebe­r abgegolten bekommen müssen. Ein klarer Nachteil gegenüber Vollzeitbe­schäftigte­n, deren Überstunde­n bereits im Folgemonat beglichen werden müssen.

Das Forderungs­paket kommt bei den Arbeitgebe­rn freilich nicht gut an. „Wir möchten daran erinnern, dass dies auch jemand zahlen muss, der es im Vorfeld erwirtscha­ftet. Ansonsten ist der Arbeitspla­tzerhalt im zweiten Pandemieja­hr gefährdet“, sagt Rainer Will vom Handelsver­band.

Gespaltene Branche

Arbeitgebe­r-Chefverhan­dler Rainer Trefelik will die Forderunge­n noch nicht im Detail kommentier­en, verweist aber auf den Riss, der durch die Handelslan­dschaft geht. Auf der einen Seite jene Betriebe, deren Geschäft in der Pandemie zum Erliegen gekommen ist – etwa Mode- und Schuhhändl­er. Auf der anderen Seite sogenannte Krisengewi­nner, wie Supermärkt­e und Einrichtun­gshäuser. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, warnt Trefelik. In Tourismusg­ebieten könne von Normalität keine Rede sein. Selbst im Lebensmitt­elhandel gibt es Verlierer: „Bei jenen, die an Hotels und die Gastro liefern, oder vom Frühstücks­geschäft in Bürovierte­ln gelebt haben, ist die Lage nach wie vor schwierig.“

Bei den KV-Verhandlun­gen für den Handel geht es um so viele Beschäftig­te wie in keinem anderen KV. Und vor allem um Frauen. Jede fünfte in Österreich berufstäti­ge Frau arbeitet im Handel. Im Lebensmitt­eleinzelha­ndel liegt der Frauenante­il sogar bei 78 Prozent.

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