Kurier (Samstag)

Kleines Derby, große Emotionen

Die Vienna schlägt den Sport-Club in der Regionalli­ga Ost vor 6.554 Zuschauern 3:0. Drei KURIER-Redakteure verteilen sich auf die drei Tribünen und beobachten höchst Unterschie­dliches

- VON DER HAUPTTRIBÜ­NE PETER GUTMAYER VON DER FRIEDHOFST­RIBÜNE FLORIAN PLAVEC VON DER BLAUEN TRIBÜNE ALEXANDER STRECHA VOM SPIELFELD (FOTOS) STEFAN SIGWARTH

Sport-Club gegen Vienna. Das ist Tradition. Die Schwarz-Weißen aus Dornbach gegen die BlauGelben aus Döbling. Tradition ist die liebevolle Rivalität zwischen den Vereinen, Tradition ist der Hype um das kleine Wiener Derby, Tradition ist aber auch das Chaos rund um die Spiele in der Regionalli­ga.

45 Minuten muss man diesmal vor dem Eingang der Friedhofst­ribüne warten, bis man reinkommt. Gerade rechtzeiti­g, als der blinde Platzsprec­her Roland Spöttling die Mannschaft­saufstellu­ngen in die Anlage brüllt. Zu verstehen sind die Namen nicht, der Lautsprech­er über meinem Stammplatz ist seit circa 1992 defekt.

Die Stehplatzt­ribüne unmittelba­r neben dem Dornbacher Friedhof ist voll wie schon lange nicht mehr. Mit einem „Sport-Club is on the Green!“-Choral wird die eigene Mannschaft auf das Feld geschickt.

Wenn von rechts der Eckball kommt, muss man sich weit vorbeugen, um etwas zu sehen. Ein Bier gibt es heute nicht, bin ja im Dienst. Naja. Eigentlich ist die Schlange vor den Zapfsäulen zu lange. Somit entfällt auch der Besuch bei Leo, dem freundlich­en Klo-Mann, der jeden Gast persönlich begrüßt.

Schnelles Tor

Nach drei Minuten der PartySchre­ck, Berkovic verdribbel­t sich, Vienna-Stürmer Luxbacher schießt überlegt ein.

Viele Vienna-Fans haben das Tor nicht gesehen. Ein Spiel beginnt nicht immer mit dem Anpfiff, sondern manchmal auch erst in der 25. Minute.

Dann nämlich, wenn man Karten für die Blaue Tribüne hat und zu Beginn der Partie mit 500 Vienna-Fans auf der Hernalser Hauptstraß­e steht. Nur ein Zugang ist offen, bei dem zwei Ordner den Einlass kontrollie­ren. Zu ihrer Ehrenrettu­ng sei gesagt, dass sie die 2-G-Regel besonders genau begutachte­n.

„Des gibt’s in kan Film net“, meint ein blau-gelber Anhänger im schönsten Wienerisch, um im Burgtheate­rDeutsch anzufügen: „So etwas nenne ich Desorganis­ation.“Ein weiterer Fan hat die Lacher auf seiner Seite als er „eine zweite Kassa bitte“fordert.

Endlich im Innenraum, beginnt der Spießruten­lauf erst recht, weil die Ränge heillos überfüllt sind. Immerhin ist noch auf den Stufen Platz. Das wiederum hat den Nachteil, dass Menschen einem die Sicht verstellen oder über einen drüber kraxeln. Viele verlieren die Geduld und verlassen den Ort des Chaos und des Dilettanti­smus und gehen vorzeitig nach Hause.

Auf der Haupttribü­ne hat man den Vorteil, dass man gute Sicht aufs Spielfeld hat, während man in der Bierschlan­ge steht – zu meinem Glück, denn es dauert 40 Minuten. Auf den nicht mehr ganz neuwertige­n Holzbänken sitzen überwiegen­d Sport-Club-Fans, vereinzelt aber auch weit gereiste Gäste aus Döbling. Die dürfen auch aufspringe­n, wenn ihre Mannschaft ein Tor schießt. Ein paar böse Blicke ernten sie dafür, dann hört man aber nur – natürlich wieder in feinstem Wienerisch: „Gfreits eich net z’frua.“

Die Partie wird hitzig, der Schiedsric­hter teilt Gelbe Karten aus. Auf der Friedhofst­ribüne wird zur Pause bereits analysiert. „Drückend überlegen sind wir nicht“, bringt es ein Fan auf den Punkt. Doch in der zweiten Halbzeit (immer noch kein Bier) kommt Stimmung auf, ein SportClub-Tor liegt in der Luft.

Auf der Haupttribü­ne wird vehement der Ausgleich gefordert. Das zweite Bier, welches ich mir in der ersten Halbzeit mitgenomme­n habe, ist auch leer. Die Chancen auf ein drittes stehen sehr schlecht. Ein zweites und ein drittes Tor schießt dann die Vienna, ein Kopfball nach einer Ecke und ein Konter.

Auf der Friedhofst­ribüne ist man sich einig, die Vienna hat verdient gewonnen, das 3:0 ist zu hoch. Einmal brandet doch noch Jubel auf. Exakt in Minute 90 läuft ein Flitzer von rechts über das Spielfeld. Auch diese Tradition lebt nach vier Jahren DerbyPause wieder auf.

Am Ende ist’s egal, auf welcher Tribüne man auf sein Getränk gewartet hat, sich über Tore gefreut oder über die Organisati­on geärgert hat. Nach dem Spiel treffen sich die Fans beider Teams zur gemeinsame­n Party hinter dem Stadion.

Auch das ist Tradition.

 ?? ?? Habemus Derby-Sieg: Auf der Blauen Tribüne stieg Rauch auf
Habemus Derby-Sieg: Auf der Blauen Tribüne stieg Rauch auf
 ?? ?? Hart: Die Duelle vor der Haupttribü­ne und der Kampf ums Bier
Hart: Die Duelle vor der Haupttribü­ne und der Kampf ums Bier

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