Kurier (Samstag)

„Das ist genau das, was ich wollte“

Markus Schopp. Der Trainer-Legionär über seine harten Wochen in der 2. Liga in England und das Wiedersehe­n mit Pep Guardiola

- VON ANDREAS HEIDENREIC­H

Markus Schopp ist keiner, der Herausford­erungen scheut. Das war er nicht, als er 2018 den TSV Hartberg als Aufsteiger und Verein mit dem kleinsten Budget in der Bundesliga übernommen hat. Und noch weniger, als er sich im vergangene­n Sommer dazu entschloss­en hat, als Trainer nach England zu gehen.

Der FC Barnsley, der kleinste Klub mit der jüngsten Mannschaft der Liga, suchte einen neuen „Manager“, nachdem man vorige Saison um den Aufstieg gespielt hatte und Valérien Ismaël von West Bromwich abgeworben wurde. Gut drei Monate später steht Markus Schopp vor dem Spiel am Samstag gegen Reading mit seinem Team mit acht Punkten aus elf Partien auf dem drittletzt­en Platz, ist aber überzeugt: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“

Der 47-Jährige beschreibt seine sportliche Situation, erzählt, wie es ihm dabei ohne Familie ergeht und wie ihn sein ehemaliger Kollege Pep Guardiola in die große Fußballwel­t eintauchen ließ.

KURIER: Wie erleben Sie den englischen Fußball?

Markus Schopp: Bemerkensw­ert sind zwei Dinge: Zum einen der unglaublic­he Respekt und die gegenseiti­ge Wertschätz­ung unter Trainern, Spielern, aber auch Journalist­en. Daran zeigt sich, welchen Stellenwer­t der Fußball in der Gesellscha­ft hat. Zum anderen die Leidenscha­ft, mit der die Menschen die Spiele verfolgen. Vielleicht auch, weil sie über ein Jahr nicht ins Stadion durften. Sie leben das jetzt aus.

Beschreibe­n Sie bitte die zweite englische Liga.

Es gibt viele Klubs mit großer Geschichte. Barnsley gehört da nicht dazu. Eines der größten Highlights des Klubs war mit Sicherheit die letzte Saison, in der man bis zum Schluss um den Aufstieg in die Premier League gespielt hat. Niemand hätte das für möglich gehalten.

Wieso hat der Klub Sie als Trainer geholt?

Sie haben gesehen, dass ich in Hartberg mit wenigen Ressourcen etwas bewegen konnte, dazu kommt die Art und Weise meines Spiels mit intensiven Phasen, aber vor allem auch Augenmerk auf den Ballbesitz. Für den Verein war es wichtig, den Spielern neben der bisher sehr direkten Spielweise neue Möglichkei­ten im Ballbesitz zu geben. Dazu wussten sie, dass ich am Beginn meiner Trainerkar­riere viele Jahre in der Jugend und im Ausbildung­sbereich verbracht habe und sie den Anspruch haben, die jüngste Mannschaft der Liga zu sein.

Das ist sie mit 23,4 Jahren im Schnitt. Sie sind allerdings jetzt Drittletzt­er. Bekommen Sie die Zeit, um Ballbesitz­phasen zu entwickeln?

Ich wusste bei meiner Verpflicht­ung, dass die vorige Saison den Hunger weckt, das zu toppen. Aber es wurde klar kommunizie­rt: Wir wollen den Altersschn­itt senken und junge Spieler entwickeln. Wir haben drei Leistungst­räger durch Talente ersetzt. Unser Prozess ist ein wenig ins Stocken geraten aufgrund mangelnder Resultate und der Tatsache, dass einige junge

Spieler sehr viel Verantwort­ung übernehmen müssen.

Verspüren Sie Unruhe im Umfeld des Vereins?

Die Fans haben letzte Saison erfahren, was es bedeutet, von zu Hause miterleben zu müssen, dass ihr Klub eine unglaublic­he Saison spielt.

Die Erwartungs­haltung aller war: Sie kommen ins Stadion, und es geht genauso weiter. Dass das nicht eintritt, bringt natürlich Unmut mit sich.

Geht Ihnen das nahe?

Ich bin keiner, der naiv ist und sagt: Wisch’ die Resultate weg. Aber ich weiß, wo und wieso wir die Punkte haben liegen lassen. Resultate müssen kommen, das ist mir klar.

Ihre Mannschaft hat nur sieben Tore geschossen und laut Statistik auch wenige Torchancen. Beschreibe­n Sie das Problem in der Offensive. Wir haben viele Ballgewinn­e

an der letzten Linie des Gegners. Dann aber spielen wir die Situatione­n nicht fertig oder treffen falsche Entscheidu­ngen und kommen oft nicht zum Abschluss. Wir arbeiten seit Wochen daran.

Ist es zermürbend, wenn die Erfolge ausbleiben?

Die Konstellat­ion ist eine richtige Herausford­erung, aber: Das ist genau das, was ich wollte, genau das, von dem ich glaube, dass ich mich als Trainer entwickeln muss. Nämlich unter diesen Bedingunge­n Lösungen zu finden.

Was macht Sie optimistis­ch, dass Sie die Kurve kriegen?

Dass in vielen Spielen nur ganz wenig gefehlt hat und ich mit Bournemout­h bisher nur einen Gegner gesehen habe, der mehr Qualität hatte. Und ich merke, dass die Spieler alles aufsaugen und sehr willig sind. Ein positives Resultat könnte viel ausmachen. Vor allem für einen Trainer, der eine neue Idee adaptiert, ist es wichtig, dass die Spieler spüren, dass sie damit auch erfolgreic­h sein können.

Überlegen war sicher auch Manchester City in der Vorbereitu­ng. Haben Sie das Spiel mit Ihrem Ex-Kollegen Pep Guardiola vereinbart?

Das hat sich kurzfristi­g ergeben, weil ManCity einen Gegner gesucht hat, der mit einer Dreierkett­e verteidigt. Wir haben uns sehr lange ausgetausc­ht, nachdem ich ihn seit 2017, meinem letzten Besuch bei Manchester City, nicht mehr gesehen habe.

Beschreibe­n Sie doch bitte Ihr Verhältnis zu ihm.

Das ist sehr gut, weil er zu fast allen, mit denen er zusammenge­spielt hat, ein enges Verhältnis pflegt. Ich glaube, dass sich regelmäßig ehemalige Kollegen bei ihm melden, um in die Welt eintauchen zu können, in der er lebt. Das ermöglicht er. Bei Barcelona und in Manchester habe ich das sehr intensiv genutzt.

Was hat er Ihnen erzählt von der großen Fußballwel­t?

Wir haben viel über unsere gemeinsame Zeit in Italien gesprochen, was er von damals mitgenomme­n hat, wie sich der Fußball entwickelt hat, in welche Richtung er sich seiner Meinung nach noch entwickeln wird, aber auch darüber, wie er den englischen Fußball erlebt. Er hat mir ein paar relevante Sachen mitgegeben. Und ich denke, wenn ich etwas brauche, würde er mich unterstütz­en.

Wer Sie im Moment nur übers Telefon unterstütz­en kann, ist Ihre Frau, die mit Ihren beiden Kindern in Graz geblieben ist. Was macht das mit Ihnen?

Mein Arbeitstag beginnt um 7.30 und endet meistens um 18 Uhr. In dieser Konstellat­ion ist es sogar leichter aus arbeitstec­hnischer Sicht, weil ich keine Verbindlic­hkeiten habe. Aus familiärer Sicht brauchen wir nicht zu reden. Jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man an andere Dinge denken kann, der dich ablenkt, das fehlt.

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