Kurier (Samstag)

Kein Bad im Drachenfet­t, aber der Pfifflighe­imer Chor singt

Die Nibelungen. Uferlose Fantasie von Felicitas Hoppe

- P.PISA

„Die Nibelungen, neu erzählt für unsere Zeit“steht hinten groß auf dem Umschlag.

Aber es ist nicht so wie 1999 bei Michael Köhlmeier. Der hat die Heldengesc­hichte verständli­ch gemacht, soweit das überhaupt möglich ist, und Kriemhilds Liebe in den Mittelpunk­t gestellt.

Streng an die Vorlage hat auch er sich nicht gehalten, das wäre ja fad. Zum Beispiel ließ er Siegfried nicht im Blut des Drachen baden, sondern im Fett, das sich wie eine zweite schützende Haut über den Körper zog – bis auf jene Stelle auf dem Rücken, man kennt das, auf die ein Lindenblat­t fiel.

Es ist egal, wie gut man all das kennt: Den Nibelungen von Felicitas Hoppes wird man so oder so schwer folgen können.

Abspann

Im Untertitel heißt es: Ein deutscher Stummfilm. Das Buch als Stummfilm? Nein, es ist ein Theater! Es wird von einer Aufführung der Nibelungen­festspiele in Worms erzählt: vom Freiluftth­eater in jener Stadt, in der viele Szenen des 900 Jahre alten Liedes spielen.

Und stumm ist niemand, das Publikum schreit, auf der Drehbühne singt der Männerchor Pfifflighe­im.

Davon erfährt man im Plauderton mit sehr viel Stil. Wenn dann in der Theaterpau­se die Schauspiel­er in der Garderobe interviewt werden, bekommt die derartige Kultur etwas Spott ab. Der Siegfried-Darsteller ist klein und dunkel, Hagen behauptet, er sei auch im Leben ein böser Onkel.

Laut „Abspann“(hinten im Buch) ist Quentin Tarantino der Dramaturg, die Hunnen sind der Ruderclub BlauWeiß, und den Tod verkörpert ein Laie aus Worms im Trainingsa­nzug von Woolworth.

Aber man sollte ja vorne zu lesen beginnen (sollte man?), und wer die ersten Seiten geschafft hat: Bravo! Die Hauptperso­n, das verwirrt total, ist nämlich – der Schatz der Nibelungen.

Hoppe will uns nichts über die Liebe sagen. Sondern über Geld und Gier und Macht. Vor allem aber will sie ihre uferlose Fantasie ausleben. Dafür bekam die Deutsche 2012 den BüchnerPre­is („befreiende Fantasie“, „abenteuerl­ustige Prosa“).

Man kann staunen, man kann ihr zum Kunstwerk gratuliere­n, aber man wird es sich nicht aneignen können. So gesehen ist das Buch wie das Gold im Rhein.

Ein Beispiel aus ihren Nibelungen: Die Goldene Dreizehn gerät in Versuchung, ihr letztes Bein herzugeben und erhebt das Glas auf den Schatten von Brunhild.

Die Goldene Dreizehn ist der Spitzname des Schatzes.

Es prostet auch ein Vagabund zu, die Rolle wird „Krüppel“genannt.

Er ist ebenfalls der Schatz. Es gibt ja mehrere Schätze (die sich verwandeln können, in eine Zahl, eine Silbe, und dann findet sie niemand).

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