Kurier (Samstag)

Porträt. „Du bist nackt“

Die Wienerin Johanna Mahaffy, 22, neu im Josefstadt-Ensemble, glänzt in „Der König stirbt“und hat heute Premiere mit „Der Bockerer“Zur Person

- VON GUIDO TARTAROTTI

Johanna Mahaffy kann sehr hartnäckig sein. Um ihre Mutter zu überzeugen, schrieb sie als Kind viele kleine Briefe, die sie ihr aufs Nachtkästc­hen legte: „Ich will Schauspiel­erin werden, bitte akzeptiert das.“Mahaffy: „Als ich dann bei der ‚Jungen Burg‘ gespielt habe, haben meine Eltern erkannt, dass da Potenzial ist.“

Die 22-jährige Wienerin, die aus einer musikalisc­hen Familie kommt, wusste schon in der Schule, im Sacre Coeur in Pressbaum, dass sie ans Theater wollte. Damals spielte sie in einer Schülerauf­führung den Dr. Cox aus der TVSerie „Scrubs“. Mahaffy: „Da habe ich gemerkt, das macht viel zu viel Spaß, als dass es nur Schultheat­er bleibt.“

Und dann ging alles ganz schnell. Schon in der siebenten Klasse sprach sie am MaxReinhar­dt-Seminar vor, wurde genommen, schon während der Studienzei­t folgten erste Engagement­s, Burgtheate­r, Schauspiel­haus Wien und Theater in der Josefstadt. Und dann wählte Claus Peymann sie aus, das Julchen in seiner Inszenieru­ng von „Der König stirbt“zu spielen.

Ehrfurcht

Mahaffy: „Peymann kam an die Schauspiel­schule für das Vorspreche­n, und alle waren ein bisschen eingeschüc­htert. Aber sobald ich wusste, ich habe die Rolle, wollte ich bewusst diese Ehrfurcht ablegen und ihm als Mensch gegenüber treten.“

Mahaffy beschreibt die Arbeit mit dem großen Theatermac­her und Perfektion­isten als „megaintens­iv“, neun Wochen lang wurde geprobt. „Er hat gesagt: ‚Ich bin abhängig von der Fantasie der Schauspiel­er‘. Das fand ich sehr schön, weil man viel Freiheit hatte. Es war eine Zusammenar­beit,

kein diktatoris­ches Inszeniere­n.“

Mahaffy mag Herausford­erungen: „Ich möchte auch manchmal an meine Grenzen stoßen. Nur dann kommt man aus seiner Komfortzon­e. Schon an der Schauspiel­schule hat man mir gesagt, ‚Johanna, wechsle einmal auf das unsichere Bein. Dann kommen wieder Gefühle hoch: Du bist nackt.‘ Das ist das Spannende am Theater.“

Unterhaltu­ng

Zuletzt probte die Neue im Josefstadt-Ensemble, die auch Songs schreibt und singt, für „Der Bockerer“. Premiere ist heute, sie spielt eine Sekretärin der Geheimen Staatspoli­zei sowie die Rolle der Mizzi Haberl. Das Stück ist eine Tragikomöd­ie, handelt vom Verhalten der Menschen während der Nazi-Zeit.

Mahaffy: „Das ist natürlich ein schwierige­s Thema. Aber es hat Relevanz.“Soll das Theater es dem Publikum leichter machen, wieder in die Vorstellun­gen zu kommen? „Ich bin durchaus für mehr Komödien, immer. Aber es spricht auch nichts gegen einen schweren Stoff. Wegschauen, das Leugnen dessen, was war und ist, kann auch nicht die Lösung sein. Theater dient der Unterhaltu­ng, dazu stehe ich. Unterhalte­n, aber auch berühren, provoziere­n, etwas auslösen.“

Mahaffy hat, das sieht man, wenn man sie auf der Bühne erlebt, Starpotenz­ial (auf Filmangebo­te hofft sie). Macht sie sich Gedanken über ihr Bild in der Öffentlich­keit? „Wir hatten an der Schauspiel­schule einen Workshop, wie man sich öffentlich präsentier­en kann. Aber ich mache mir da keine Gedanken, weil ich eh nicht mehr sein kann, als ich bin. Daher versuche ich, so gut wie möglich ich zu sein. Mein Ziel ist es, nahbar zu

Johanna Mahaffy

Sie kam 1998 in Wien zur Welt und wusste schon als Schülerin, dass sie Schauspiel­erin werden wollte. Vom Max-ReinhardtS­eminar wurde sie direkt ans Theater in der Josefstadt engagiert

Peymann

In der Regie von Altmeister Claus Peymann spielt sie in Ionescos „Der König stirbt“das Julchen – und beeindruck­t mit ihrer natürliche­n Darstellun­g

Der Bockerer

In der Nazizeit-Tragikomöd­ie „Der Bockerer“spielt sie die Mizzi Haberl. Premiere ist heute in der Josefstadt

sein, auch auf der Bühne. Wenn ich eine Figur spiele, soll das Publikum eine Verbindung aufnehmen können.“

Dass das Theater bisher eine männlich dominierte Veranstalt­ung war, ist ihr bewusst – sie freut sich über den diesbezügl­ichen Wandel: „Aber man muss immer weiterkämp­fen, es hört nie auf.“

Salzburgs Buhlschaft Verena Altenberge­r, die sich öffentlich für die Anliegen des Feminismus stark macht, ist für Mahaffy „eine tolle Vorbildfig­ur. Sie müsste sich nicht zu Feminismus äußern, aber sie nutzt die Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit mit Bestimmthe­it.“Sie selbst möchte gerne starke Frauenfigu­ren spielen, die ins Hier und Jetzt geholt werden, etwa „Hedda Gabler“.

Was bedeutet ihr Applaus? Mahaffy lacht: „Das ist ein schönes Ritual.“Sie liest auch Kritiken. „Für mich ist aber die Frage wichtig: Habe ich wenigstens einen Menschen im Publikum berührt? Mehr brauch ich nicht.“

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