Kurier (Samstag)

„Alle Arschlöche­r abschlacht­en“: Langweilig­e Tötungsfan­tasie

Die Volkstheat­er-Spielstätt­e „Dunkelkamm­er“wurde mit einer Lydia-Haider-Uraufführu­ng eröffnet

- GUIDO TARTAROTTI

Kritik. Lydia Haiders Stück „Zertretung – 1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöche­r abschlacht­en“hat nicht nur einen komplizier­ten Titel, es ist eine einzige Einladung zur Empörung. Trotzdem sollte man der Autorin nicht die Freude machen, ihr in die Skandalfal­le zu gehen.

Lydia Haider gewann 2020 den Publikumsp­reis beim Bachmann-Wettbewerb – mit einem Text, der sich selbst zum Thema hatte: Das Gewaltpote­nzial von Sprache. Die Jury war weniger begeistert: „Der Text löst sich in Nichts auf“, lautete ein Urteil.

2017 stand Haider im Mittelpunk­t von „Babykatzen­gate“: Gemeinsam mit der Autorin Stefanie Sargnagel

hatte sie eine mit öffentlich­en Geldern unterstütz­te Reise nach Marokko unternomme­n und dort, so stand es ironisch in Sargnagels Reisetageb­uch, eine „Babykatze getreten“. Manche Medien missversta­nden den satirische­n Text absichtlic­h als reale Beschreibu­ng und inszeniert­en einen Skandal.

Was werden die Skandalisi­erer jetzt sagen? In Haiders Stück geht es ausschließ­lich darum, männliche Menschen des öffentlich­en Lebens – von Andreas Khol bis Andreas Gabalier, von Otto Schenk bis Philipp Hochmair, vom Kabarettis­ten Gery Seidl bis zur Band Wanda, von Richard Lugner bis zu Peter Schröcksna­del, von Jesus Christus bis zu Gott, dem Herrn – auf möglichst originelle Weise zu Tode zu bringen. Da rollen Köpfe, kommen Äxte und Pistolen zu Einsatz, treffen Schredder und Mähdresche­r auf menschlich­e Körper. Auch Thomas Bernhard wird aus dem Grab geholt und zerkleiner­t – nur „das ganze Jazzer-Pack“darf weiterlebe­n.

Ego-Shooter

Hausherr Kay Voges, der – ein einziger gelungener Gag – selbst auch unter den Gemetzelte­n des Abends ist – inszeniert­e das Ganze als Ego-Shooter-Videospiel. Drei Darsteller­innen in Overalls und mit Gesichtsma­ske (Evi Kehrstepha­n, Lavinia Nowak,

Claudia Sabitzer) spielen oder lesen Haiders Tiraden, dazwischen dürfen Zuschauer per Joystick auf menschlich­e Figuren ballern und am Ende des Abends das Publikum selbst meucheln.

Was möglicherw­eise eine provokante Auseinande­rsetzung mit der Allgegenwa­rt von Gewalt hätte sein sollen, ist leider eine hochgradig langweilig­e, monotone, ziemlich plumpe Mordfantas­ie, der es – etwa im Unterschie­d zu den Filmen von Quentin Tarantino – auch völlig an Humor fehlt.

Die Autorin unterhielt sich, im Publikum sitzend, prächtig, und bekam nachher viel Applaus.

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