Ein Altenheim an der Macht
USA. Biden, Trump, Feinstein, Pelosi, McConnell: In Amerika vergreist das politische Spitzenpersonal. Die „Dinosaurier“in Washington haben immer öfter Probleme – abdanken wollen sie aber nicht
Das muss man Nancy Pelosi lassen: Gefühl fürs Timing hat sie. Während sich Amerika gerade sorgenvoll über sein zunehmend überaltertes Spitzenpersonal in der Politik beugt, kündigt die einst mächtigste Demokratin im Kongress in Washington ihr Comeback an. Sie will bei der Wahl im November 2024 erneut für ihren Wahlbezirk in San Francisco antreten – dann im Alter von 84 Jahren.
Mit ihrer Kandidatur verkörpert die streitbare Vollblut-Politikerin, die sich 2017 als Gegnerin des damaligen Präsidenten Donald Trump viel Feind und viel Ehr’ erworben hat, das Gegenmodell zu einer Stimmungswelle, die Amerikas lange bestehende Polit-Gerontokratie überrollen könnte.
Der Hintergrund in Zahlen: Im Senat liegt das Durchschnittsalter bei 64 Jahren. Über die Hälfte der 100 Spitzen-Politiker und Politikerinnen hier ist älter als 65. Im Repräsentantenhaus liegt der Durchschnitt bei 58 Jahren. „Millenials“wie die 33-jährige Alexandria Ocasio-Cortez (Demokraten) stellen nur zwölf Prozent der Abgeordneten. In der „Generation Z“ist Maxwell Frost (Demokraten) mit 26 Jahren Solitär.
Die Lebenswelt von Amerikanern Ende 20 hat kaum mehr Schnittmengen mit den etablierten Entscheidern in der Hauptstadt.
Wie alt ist zu alt?
Nikki Haley, die ehemalige Gouverneurin von South Carolina und einzige Frau im republikanischen Bewerberpool um das Weiße Haus für 2024, pocht auf Verjüngung. Sie verlangt für alle Mitglieder von Parlament und Regierung verbindliche Kompetenz-Tests ab einem Alter von 75. Die 51-Jährige hat die Altersgrenze bewusst gewählt.
Donald Trump, der derzeitige Favorit für die Kandidatur 2024 ihrer Partei, ist schon 77. Und damit drei Jahre jünger als der älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Präsident Joe Biden (80) hat zuletzt durch bizarre Aussetzer viel Prestige in der Bevölkerung verspielt. Sodass selbst unter demokratischen Wählern über 65 Prozent der Auffassung sind, Biden sollte im nächsten Jahr der jüngeren Generation den Vortritt lassen. Aber er steht diesmal nicht im Vordergrund, wenn sich Amerika zum x-ten Mal fragt: Wann ist alt zu alt?
Die Allerälteste
Da ist zum Beispiel Dianne Feinstein. Die älteste Senatorin (Kalifornien) war im Frühjahr über Monate wegen einer Gürtelrose ausgefallen.
Als die 90-jährige Demokratin zurückkam, zeigten sich Parteifreunde über den rasant fortgeschrittenen Altersprozess erschrocken.
Ihr Kurzzeitgedächtnis ist so dahin, dass die Parlamentarierin glatt vergaß, dass sie Mehrheitsführer Chuck Schumer versprochen hatte, den Chef-Posten im wichtigen Justiz-Ausschuss in jüngere Hände zu geben, berichten Eingeweihte.
Feinstein will sich im November 2024 nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Bis dahin sind es aber noch 15 Monate; eine Ewigkeit in der USPolitik, in der viele Abstimmungen im Senat anstehen, wo die Demokraten nur eine klitzekleine Mehrheit gegenüber den Republikanern haben.
Die „Dinosaurier“
Auch dort wimmelt es nur so von „Dinosauriern“. Senator Chuck Grassley etwa. Er ist 89. Seine Amtszeit läuft bis 2029. Und natürlich Mitch McConnell, der vielleicht gewiefteste Machtstratege in Washington. Der 81 Jahre alte Senator aus Kentucky ist durch stoisches Nein-Sagen (zu Obamas Zeiten) Wegbereiter der konservativen Machtverschiebung am Obersten Gerichtshof unter Donald Trump geworden. Er gilt als unverzichtbar. Entsprechend schockiert waren seine engsten Wegbegleiter, als McConnell bei einer Presse-Konferenz ein völliges „Blackout“hatte.
Auf den Kopf gefallen
Mitten in seiner Rede verstummte der schwerreiche Politiker vor laufender Kamera, starrte 20 Sekunden schweigend vor sich hin. Bis andere Senatoren ihn aus der prekären Lage befreiten. Nach einigen Minuten kam McConnell zurück, vollendete seine Rede und beschied Reporter mit dem kühnen Satz: „Mir geht es gut. Alles in Ordnung.“
Was natürlich nicht stimmt. Mitch McConnell war vor Monaten auf den Kopf gefallen. Die Gehirnerschütterung zog ihn wochenlang aus dem Verkehr. Er wirkt seither noch fragiler und lässt sich auf längeren Wegstrecken im Kapitol im Rollstuhl fahren.
Vor wenigen Tagen „gefroren“ihm zum zweiten Mal in aller Öffentlichkeit die Züge. Aber abdanken will er frühestens nach den Präsidentschaftswahlen im November 2024.
Bis dahin müssen sich John Thune, John Barrasso und John Cornyn gedulden. Die „drei Johnnys“sind McConnells ergebene Adjutanten und nominelle Nachfolger. Sie sind zwischen 62 und 71 Jahre alt. In Washington gilt man in diesem Alter offenbar noch als Nachwuchstalent.
Der einzige Über-70-Jährige, der den Weg für Jüngere frei machen will, ist der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. Der Republikaner (76) tritt 2024 nicht mehr als Senator für Utah an. „Es ist Zeit für eine neue Generation von Anführern“, begründet er seine Entscheidung diese Woche – auch mit Blick auf das Alter von US-Präsident Biden und Donald Trump. „Am Ende einer weiteren Amtszeit wäre ich Mitte achtzig“, sagte Romney in einer Videobotschaft auf der früher Twitter genannten Plattform X.
„Es ist Zeit für eine neue Generation von Anführern. Am Ende einer nächsten Amtszeit wäre ich Mitte 80“Mitt Romney Ex-Präsidentschaftskandidat
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