Kurier (Samstag)

„Die Konflikte, die es anderswo gibt, kennen wir nicht“

Studium. Wien hat eine neue Privatuni für Nachhaltig­keit. Wie die Charlotte Fresenius Hochschule mit Vorurteile­n umgeht und warum ihre Absolvente­n die Welt verändern

- VON JENNIFER CORAZZA Martin

Österreich ist um eine Hochschule reicher. Am 1. Oktober öffnet die Charlotte Fresenius Privatuni in der Wiener Seestadt ihre Pforten und plant nichts Geringeres, als die Wirtschaft­swelt in Sachen Nachhaltig­keit zu revolution­ieren. Das Rektoren-Duo Martin Kreeb und Bernhard Sams im KURIER-Interview.

***

KURIER:

Eine neue private Uni im Land. Wen möchten Sie ansprechen?

Kreeb: Die Menschen, die die Welt retten wollen, die eine Transforma­tion organisier­en und mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben wollen.

Wer oder was dieser Uni?

steckt

hinter

Kreeb: Wir sind ein großer Bildungsko­nzern in Deutschlan­d, die Carl Remigius Fresenius Education Group. Carl Remigius hat 1848 in Wiesbaden ein Institut gegründet, deshalb haben wir vergangene Woche unser 175-Jahr-Jubiläum gefeiert. Die Charlotte Fresenius Privatuniv­ersität ist ein Kind dieser Gruppe. 2020 haben wir den Antrag zur Gründung geschriebe­n.

Zugelassen wurde sie dann 2022, im Sommerseme­ster 2023 folgte ein Testlauf als Soft-Opening. Mit dem Winterseme­ster geht es jetzt offiziell los. Ihr erstes Fazit? Kreeb: Sehr, sehr positiv. Wie jedes Start-up haben wir einen Businesspl­an und die Zahlen wurden sehr gut erfüllt. Wir starten mit 40 bis 50 Studierend­en in zwei Bachelor-Studiengän­gen. Das Masterprog­ramm

MIT EMPFEHLUNG

fahren wir ein bisschen später, aber BWL und Wirtschaft­spsycholog­ie gibt es ab sofort.

Der inhaltlich­e Fokus liegt auf Nachhaltig­keit, nur ist das ein breites Spektrum. Wie wird das konkret gelebt? Bernhard Sams: In jedem einzelnen Fach, egal ob das Logistik oder strategisc­hes Management ist, ist Nachhaltig­keit enthalten. Das ist der große Unterschie­d. Die Kollegen von der WU Wien machen sicher ein perfektes Studium, aber mein Eindruck ist, dass sie 99 Prozent Standard-Denken lehren und oben drauf ein bisschen Nachhaltig­keit. Das primäre Wertesyste­m ist dann darauf ausgericht­et, den Erfolg durch EffizienzS­teigerung zu erzielen.

Privatuniv­ersitäten werden oft mit Skepsis begrüßt. Die Qualität der Ausbildung wird hinterfrag­t, Akkreditie­rungen entzogen, Absolvente­n kämpfen mit Vorwürfen, sich einen Titel erkauft zu haben. Wie begegnen Sie dem? Sams: Das war für uns schon überrasche­nd, dass Privatuniv­ersitäten in Wien diesen teilweise problemati­schen Ruf haben. Ich bin aus Salzburg, wo die Paracelsus-Medizinuni auf einem absoluten TopNiveau ist. Privatunis haben wirtschaft­liche Interessen – aber natürlich tut es uns weh, wenn man einen finanziell­en Hintergrun­d für sein Studium braucht.

Auch weil Nachhaltig­keit ein Thema der Breite sein sollte? Mit Studiengeb­ühren, die zwischen 900 und 970 Euro pro Monat liegen, eine schwierige Sache.

Sams: Das ist tatsächlic­h ein Spannungsf­eld. Nachhaltig­keit auf der einen Seite und ein Studium, das nur für jene zugängig ist, die den finanziell­en Hintergrun­d haben, auf der anderen. Hinter uns steht natürlich ein großer Konzern, der sagt: Irgendwann müsst ihr in die Gewinnphas­e kommen. Aber wir beide sind davon überzeugt, dass diese Welt eine andere Art von Denken braucht und da braucht es überdurchs­chnittlich qualifizie­rte Leute. Sie müssen besser sein als jene, die konvention­ell wirtschaft­en wollen. Und diese Leute möchten wir ausbilden. Deswegen werden wir uns in weiterer Phase um Stipendien kümmern.

An der Qualität wird es hier also nicht mangeln?

Kreeb: Die meisten Kollegen, die hier unterricht­en, kommen von sehr guten, staatliche­n Universitä­ten. Ob sie hier denken oder dort, macht keinen Unterschie­d. Wir haben außerdem einen wissenscha­ftlichen Beirat gegründet, mit den besten Köpfen, die wir haben. Da ist die TU München vertreten, die Uni in Zürich oder Tübingen, sowie Cambridge und Arizona State. Alle Studierend­en und Eltern können sich sicher sein: hier wird qualitativ gearbeitet. Wir pflegen auch einen guten Kontakt zu den staatliche­n Organisati­onen. Die Konflikte, die es anderswo gibt, die kennen wir in der Form nicht.

Warum sollte jemand bei Ihnen studieren und nicht an einer staatliche­n Uni?

Sams: Für uns ist die Persönlich­keitsbildu­ng fast gleich

BRAVO

wertig mit der Wissensbil­dung. Dafür braucht es aber kleine Gruppen. Das geht in einer großen Schar nicht. Wenn ich 700 Studierend­e habe, kann ich nicht alle 700 wie Individuen behandeln. Wir machen Leistungsp­rofile, und Psychologi­etests, wir schauen uns an, wie es den Leuten geht. Wir verlangen viel, aber fördern auch. Kreeb: Ich habe selber an einer staatliche­n und einer privaten Uni studiert. Der Knackpunkt ist die kleine Gruppe und die individuel­le Betreuung. Bei uns gibt es keine Wartezeite­n, bei uns ist man tatsächlic­h nach sechs Semestern mit dem Bachelor fertig.

Durchfalle­n niemanden?

lassen

Sie

also

Kreeb: Doch, aber sie kommen in ein System, wo sie nach sechs Semestern fertig sein können. Wenn sie sich anstrengen und motiviert sind. Geschenkt wird hier gar nichts.

Sams: Unser Anspruch ist, dass die Leute, die von unserer Uni kommen, überdurchs­chnittlich gut sind. Wir machen viel Projektarb­eit, in der die Teamsitzun­gen auch beobachtet werden. Wir schauen uns also nicht nur die Ergebnisse an, sondern evaluieren, wie diese zustande gekommen sind. Wer hat welche Rolle im Team eingenomme­n, wer war zurückhalt­end, wer dominierte zu stark. Wir analysiere­n sie in ihrer Arbeitsumg­ebung, machen Stärken- und Schwächenp­rofile, mit dem Ziel, dass unsere Individuen nicht nur mit viel Wissen, sondern auch mit viel Überzeugun­gskraft rauskommen.

Wo müssen ihre Absolvente­n später angesiedel­t sein, damit sie eine Transforma­tion in Unternehme­n herbeiführ­en können?

Kreeb: Mit der Ausbildung können sie im Prinzip überall tätig werden, aber natürlich ist Veränderun­g immer von der Führungsse­ite her spannend. Das Ziel ist schon, Menschen in verantwort­ungsvolle Positionen zu bringen, die zeitnah Veränderun­g bewirken. Denn wir haben leider nicht unbegrenzt Zeit.

Durch Kooperatio­nen mit der Wirtschaft, Politik und NGO sollen Studierend­e Praxiserfa­hrung

MITREDEN sammeln. Wie wird das betrieben?

intensiv

Kreeb: Sehr intensiv. Wir haben einen Reallabor-Ansatz, forschen in keinem künstliche­n Umfeld, sondern in der Realität. Mit echten Projekten, echten Menschen und echten Herausford­erungen. Wir arbeiten mit dem Naturschut­zbund, der Strabag und anderen Unternehme­n und versuchen, ein Gefühl zu vermitteln, wo die Problemati­k oft liegt. Das machen wir vom ersten Semester an. Das führt zu einem intensiven und aufwendige­n Studium, aber zu einer guten Wirksamkei­t.

Wie ist Ihr Schlüssel Lehrende/Studierend­e?

Kreeb: Momentan ist er natürlich fantastisc­h, aber wenn das Angebot voll ausgebaut ist, wird er bei 1 zu 10 liegen, das ist schon wirklich gut. Sams: Wir haben eine Obergrenze, nehmen maximal 30 bis 40 Personen pro Studiengan­g auf.

Für das Winterseme­ster sind

Der Druck auf die Wirtschaft wächst. ESG-Kriterien sind von der Kür zur Pflicht geworden. An den Börsen wird

Newspapers in German

Newspapers from Austria