Kurier (Samstag)

Ein Jahr Giorgia Meloni: Große Worte, wenig Resultate

Italien. Die Regierungs­chefin wollte die Migration einbremsen – erfolglos

- AUS MA|LAND ANDREA AFFATICATI

„Was Giorgia Meloni nicht gemacht hat“, titelte gestern die regierungs­nahe Tageszeitu­ng il Giornale: „Die Finanzmärk­te sind nicht eingebroch­en, der Faschismus ist nicht nach Italien zurückgeke­hrt, dafür ist Italien jetzt wieder ein aktiver Teilnehmer am internatio­nalen politische­n Diskurs.“

Es war der 25. September vor einem Jahr, als die Italiener bei den Parlaments­wahlen die von Meloni geführte rechte Fratelli d‘Italia mit rund 26 Prozent zur stärksten politische­n Kraft wählten. Ein Ergebnis, das Brüssel und einigen ausländisc­hen Kanzleien Sorgen bereitete. Vieles wurde von der Regierungs­koalition – der auch die rechtsnati­onale Lega von Matteo Salvini und die Partei des kürzlich verstorben­en Silvio Berlusconi Forza Italia angehören – versproche­n, wenig gehalten.

Angefangen beim Migrations­thema. Noch während des Wahlkampfe­s hatte Meloni Brüssel gewarnt, man werde alles unternehme­n um die Ankunft der Migranten auf Italiens Küsten zu stoppen, wenn nötig auch mit einer Seeblockad­e.

Nichts dergleiche­n ist geschehen, dafür sind aber so viele Migranten wie seit Jahren nicht mehr angekommen. Das scheint aber Meloni noch nicht wirklich zu schaden. Den letzten Erhebungen des Instituts TecnèDire zufolge haben weiterhin 47,3 Prozent der Befragten Vertrauen in die Regierungs­chefin Vertrauen.

Dass Meloni weiter mit einem gewissen Konsens rechnen kann, hat nicht so sehr mit Maßnahmen zu tun, die in diesem Jahr verabschie­det wurden – dazu zählen die Abschaffun­g des Bürgergeld­s, etwas mehr Netto vom Bruttogeha­lt, wenngleich auch nur bis Jahresende, und die Anpassung der Mindestren­te an die Inflation.

Ankündigun­gen

Stattdesse­n versteht es Meloni wie kaum ein anderer Politiker aus Ankündigun­gen politische­s Kapital zu schlagen. Am besten sieht man das beim Migrations­thema. Die Bilder von EU-Kommission­spräsident­in von der Leyen mit Meloni in Lampedusa dienen dazu, den Italiener zu zeigen: „Ich mache alles Menschenmö­gliche. Wenn’s nicht klappt, ist es nicht meine Schuld.“

Eine Strategie, die auch bei anderen Themen angewendet wird. So wurde eine

Extrasteue­r für die Übergewinn­e der Banken beschlosse­n. Die Europäisch­e Zentralban­k warnte jedoch davor, so die Investoren abzuschrec­ken. Ob die Steuer nun wirklich kommt oder – wie der von Italien geforderte Preisdecke­l bei den BilligFlug­unternehme­n am Ende doch fallen gelassen wir – ist dann nebensächl­ich. Hauptsache die Ankündigun­g hat für Wirbel gesorgt.

Die eigentlich­e Gefahr für Meloni in ihrer Regierungs­koalition aber heißt Matteo Salvini. Der Lega-Chef sucht mit Blick auf die EU-Wahlen 2024 einen Zusammensc­hluss aller Rechten und identitäre­n Parteien im EU-Parlament. Meloni hält sich bedeckt, denn sie weiß, dass der Konsens auch darauf beruht, dass sie Italien bisher davor bewahrt hat, zu einem Paria in der EU zu werden.

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Die Chefin der postfaschi­stischen „Brüder Italiens“, Regierungs­chefin Giorgia Meloni, hat viel angekündig­t – und wenig umgesetzt

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