Kurier (Samstag)

Hitlers Festung in den Bergen

Vergangenh­eitsbewält­igung. Nach sechsjähri­ger Bauzeit und vielen Verzögerun­gen ist die neue Dauerausst­ellung über das Leben und tödliche Wirken Adolf Hitlers am Obersalzbe­rg fertig

- 1860er-Jahre Adelige und wohlhabend­e Bürger beginnen, den Obersalzbe­rg zu besuchen, TEXT WOLFGANG UNTERHUBER Lederfabri­kant Otto Winter „Haus Wachenfeld“|NFOGRAF|K KATRIN KUENZ „Berghof“Kaserne für die SS-Wachmannsc­haften,

Am kommenden Mittwoch wird die neu gestaltete Dokumentat­ion über Adolf Hitler am Obersalzbe­rg eröffnet. Nur wenige Minuten Fußmarsch vom Ausstellun­gsgebäude entfernt, hat Hitler von seinem „Berghof“aus seine Regierungs­geschäfte geführt und ein Privatlebe­n simuliert.

Der Zeitpunkt der Neueröffnu­ng ist brisant. In zwei Wochen finden in Bayern Landtagswa­hlen statt. Der Wahlkampf ist überschatt­et von der Flugblatt-Affäre. Die Süddeutsch­e Zeitung hatte berichtet, dass der Chef der Partei „Freie Wähler“und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (geb. 1971) im Schuljahr 1987/’88 ein antisemiti­sches Flugblatt verfasst haben soll, das dann an der Schulezirk­ulierte.Aiwangerga­bzu,die Hetzschrif­t in seiner Schultasch­e

um dort die Sommerfris­che zu genießen. Manche errichten Ferienhäus­er. So zum Beispiel die Klavierfab­rikantenfa­milie Bechstein. mitgeführt, aber nicht verfasst zu haben. Ob er Exemplare weitergege­ben habe, wisse er nicht mehr. Als Verfasser outete sich sein Bruder. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hält seither trotzdem an Aiwanger als Regierungs­mitglied und Koalitions­partner fest. Wohl aus taktischen Gründen, wie das Magazin Focus analysiert. Aiwanger würde sonst als Märtyrer durch die Bierzelte ziehen.

Söder hat für Mittwoch sein Erscheinen­angekündig­t.Dabeiwird er wohl auf die Rolle Bayerns bei der Aufarbeitu­ng der NS-Zeit eingehen. Die verlief in den Jahrzehnte­n nach 1945 schleppend. Erst in der jüngeren Vergangenh­eit wurde damit forciert begonnen. Erforscht wurde etwa die NS-Vergangenh­eit der Behörden, der Kommunen oder der Vereine.

Mitten im Ersten Weltkrieg errichtet der aus Buxtehude am Obersalzbe­rg

– benannt nach dem Mädchennam­en seiner Frau Margarete Wachenfeld. 2017 vergab der FC Bayern München einen Forschungs­auftrag, um die Rolle des Klubs in der NS-Diktatur zu untersuche­n.

Entlarvung eines Mythos

Federführe­nd bei diesen Projekten ist das Institut für Zeitgeschi­chte (IfZ) in München. Auch die Dauerausst­ellung am Obersalzbe­rg liegt in der Verantwort­ung des IfZ. Dabei geht es darum, den bis heute wirkenden Mythos von Hitler als leutselige­n Privatmann zu entzaubern, wie das IfZ betont.

Den Ablauf eines gewöhnlich­es Tages mit dem „Führer“hat schon Joachim C. Fest in seiner Hitler-Biografie von 1973 dokumentie­rt. Hitlers Hofstaat auf dem „Berghof“bestand aus Adjutanten, Sekretärin­nen, Chauffeure­n,

1923

Adolf Hitler kommt erstmals auf den Obersalzbe­rg. 1928 mietet er zunächst „Haus Wachenfeld“von Margarete Wachenfeld; 1933 kauft er es und tauft das Domizil in um.

Ordonanzen und Hausperson­al. Dazu kamen eingeladen­e Parteikade­r; mitunter samt Familien. Spaziergän­ge, Baubesprec­hungen (mit seinem Lieblingsa­rchitekten und späteren Rüstungsmi­nister Albert Speer), Empfänge und Autopartie­n zerteilten den Tag.

Müde versammelt­en sich die Gäste dann am Abend vor dem Kamin. Hitler wirkte auf seine Umgebung paralysier­end, wie ein alter Kampfgefäh­rte einmal bemerkte. „Ein oder zwei Stunden blieb man bei mühsam dahingesch­lepptem, immer wieder banal versickern­dem Gerede, beisammen, mitunter schwieg Hitler vor sich hin oder starrte brütend ins Feuer, während die Runde in einer Mischungau­sRespektun­dMüdigkeit 1933–1935

verstummte.“Oft mussten die Gäste Kinofilme ansehen. Hitler liebte Gesellscha­ftskomödie­n mit plattem Witz und sentimenta­len Ausgang, schreibt Fest. Dazu zählten Heinz Rühmanns „Quax der Bruchpilot“oder dessen „Feuerzange­nbowle.“Erst wenn sich Hitler zurückzog, lebten die Versammelt­en in kurzer hektischer Fröhlichke­it auf.

DieAusstel­lungzeigt,dasshinter dieser Fassade am Berghof auch Politik gemacht wurde. Hier traf Hitler weitreiche­nde Entscheidu­ngen, die in den Weltkrieg und zum Holocaust führten. Auch am Obersalzbe­rg zeigte das Gewaltregi­me sein wahres Gesicht. Bis zu 6.000 Zwangsarbe­iter mussten dort Kavernen für Bunkergäng­e aushöhlen.

Hitler lässt den „Berghof“zu einem repräsenta­tiven Bau erweitern. Angrenzend­e Anwesen werden aufgekauft und dem Erdboden gleichgema­cht. Der Obersalzbe­rg wird „Führersper­rgebiet“. NS-Kader wie Hermann Göring, Martin Bormann und Albert Speer bauen hier Domizile. Es gab außerdem eine

Verwaltung­sbauten und einen Gutshof für die Versorgung.

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