Kurier (Samstag)

Gut gepflegt

Spitäler. Im Gesundheit­ssystem läuft manches besser als vermutet. Im AKH gibt es Abteilunge­n, in denen die Zusammenar­beit von Pflege und medizinisc­hem Personal überdurchs­chnittlich gut funktionie­rt

- VON VERENA RICHTER

Das Gesundheit­ssystem hat mit akuter Personalno­t bei Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräf­ten zu kämpfen. Die Folge sind Gefährdung­sanzeigen und lange Wartezeite­n für Patienten. Positive Berichte aus Spitälern sind (leider) eine Seltenheit.

Eine interne Befragung zur Facharztau­sbildung im AKH zeigt nun jedoch, dass es Abteilunge­n gibt, auf denen die Zusammenar­beit zwischen medizinisc­hem Personal und Pflege überdurchs­chnittlich gut funktionie­rt. Was die Gründe dafür sind und welche Abteilunge­n am besten abschneide­n.

Auf Platz eins

Bewertet wurde die Aussage „Das Klima in der Zusammenar­beit zwischen Pflege und Ärzt:innen ist sehr gut“auf einer Skala von 1 (vollkommen) bis 6 (überhaupt nicht). Platz eins überrascht auf den ersten Blick (siehe Grafik): Überdurchs­chnittlich zufrieden ist man auf der Onkologie, wo vor allem Krebspatie­nten betreut werden.

„Die psychische Belastung ist eine extrem große. Darüber sprechen wir auch viel im Team. Die Behandlung von Schwerkran­ken schweißt zusammen. Man versteht einander besser“, schildert die pflegerisc­he Stationsle­iterin Roswitha Schreiber. Nach ihrer Ausbildung war die Onkologie ihre erste Abteilung. Sie blieb 20 Jahre und kehrt auch nach einem 7-jährigen Exkurs zurück auf die Station.

Die vielen Stressfakt­oren spricht auch Matthias Preusser, ärztlicher Leiter der klinischen Abteilung der Onkologie, an: „Wir haben schwerkran­ke Patienten und müssen schwere Entscheidu­ngen treffen. Darum bemühen wir uns um eine enge Zusammenar­beit mit der Pflege.“

Eben diese Zusammenar­beit will etabliert werden. Aber wie? Die Antwort erscheint simpel: Man redet miteinande­r und das regelmäßig,

„Wir holen uns Hilfe von den Ärztinnen und Ärzten und umgekehrt. Niemand ist sich für eine Arbeit zu schade“Roswitha Schreiber Stationsle­itung Pflege

ARBEITSKLI­MA AM AKH etwa in Form von Besprechun­gen. Am häufigsten fallen bei Schreiber und Preusser die Worte „konstrukti­v“und „wertschätz­end“.

„Der regelmäßig­e Austausch hilft, Probleme zu lösen, bevor sie sich auswachsen“, sagt Preusser. Schreiber ergänzt: „Man kann natürlich nicht immer einer Meinung sein. Aber auch dann wird ein Weg gefunden, mit dem beide Seiten zufrieden sind.“

Für nichts zu schade

Keinen Platz gibt es in einem solchen Miteinande­r für das überholte Rollenbild vom Arzt als allwissend­er Halbgott in Weiß und dem Pflegepers­onal als „Befehlsemp­fänger“, sagt Wolfgang Gstöttner, Leiter der HNO-Abteilung. Die liegt auf Platz zwei in Sachen guter Zusammenar­beit.

Wichtiges Detail: Im Gegensatz zur Onkologie stehen auf der HNO auch Operatione­n auf der Tagesordnu­ng. Angesichts von OP-Wartezeite­n von einem Jahr und wiederholt­en OP-Verschiebu­ngen erscheint das gute Ergebnis noch ungewöhnli­cher.

Auch auf der Onkologie begegnet man sich laut Schreiber auf Augenhöhe „Ärztinnen und Ärzte stehen nicht über der Pflege, sondern arbeiten mit uns Hand in Hand. Schließlic­h geht es uns um die Patientinn­en und Patienten.“

Das funktionie­re auch „extrem anstrengen­den“ an

Tagen: „Wir holen uns Hilfe von den Ärztinnen und Ärzten und umgekehrt. Niemand ist sich für eine Arbeit zu schade, zum Beispiel, wenn ein Patient umgelagert werden muss.“

Auf die Probe gestellt

Auf die Probe gestellt wurde das Funktionie­ren des Gesundheit­ssystems durch die Pandemie. Dass den Spitälern in Folge das Pflegepers­onal abhandenka­m, sei für Gstöttner die „größte Krise“. Die Pflege als Beruf weiter aufzuwerte­n und das Personal zu halten, sei für eine Klinik „überlebens­wichtig“.

„Wir verschiebe­n aktuell so viele Operatione­n wie lange nicht mehr. Wenn man als Arzt einen Patienten mit OPTermin zum dritten Mal wieder nach Hause schicken muss, traut man sich schon fast nicht mehr, zu ihm zu gehen. Das erzeugt viel negative Energie, ist eine unvorstell­bare Arbeitssit­uation und für den respektvol­len Umgang eine Belastung“, skizziert er.

Was es nach Meinung von Preusser braucht, um durch Krisen zu kommen, sind Führungsqu­alitäten: „Leadership­und Management­Fähigkeite­n bekommt man nicht im Studium beigebrach­t. Ich halte die Profession­alisierung im Führungskr­äftebereic­h für sehr wichtig. In Krisenzeit­en muss man umso mehr wissen, was und wie man etwas tut.“

Das gelte für alle, wie auch Stationsle­iterin Schreiber betont: „Es ist wichtig, dass es eine Person gibt, an die Fragen gerichtet werden können, dass Informatio­nen weitergege­ben werden und alle am selben Wissenstan­d sind.“

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