Kurier (Samstag)

Wenn die neue Kollegin nichts fühlt

Künstliche Intelligen­z. Neue Technologi­en sind längst Teil unserer Arbeitswel­t. Warum wir sie als neue Kolleginne­n betrachten sollen und dabei zum besseren Menschen werden, verrät eine Zukunftsex­pertin

- VON JENNIFER CORAZZA Isabell Der KURIER traf Isabell Fries bei der Success Konferenz 2023 in Stegersbac­h

Neue Technologi­en nehmen keine Jobs weg, aber schaffen neue. Und sie nehmen uns im Bestfall die Tätigkeite­n ab, die der Mensch ohnehin nicht machen möchte. So die These von Zukunftsfo­rschern. Wie Maschine und Mensch in der Arbeitswel­t koexistier­en sollen, verrät die deutsche Zukunftsex­pertin Isabell Fries.

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KURIER: Täglich ein neuer Durchbruch seitens der Künstliche­n Intelligen­z (KI). Braucht es uns Menschen für den Fortschrit­t nicht mehr?

Fries: Wir Menschen sind soziale Wesen. Durch die Digitalisi­erung ist es natürlich so, dass wir mehr mit Technologi­e zu tun haben. Wir leben und denken digitaler. Deswegen müssen wir es schaffen, das Mensch-Sein wieder in den Vordergrun­d zu stellen, weil manche Fähigkeite­n durch Maschinen schlicht nicht ersetzbar sind. Sei es die emotionale Intelligen­z oder Intuition.

In der Arbeitswel­t geht mit dem Einzug der KI die Angst einher, dass Jobs obsolet werden. Ist das berechtigt? Eine gewisse Überforder­ung oder auch die negative Herangehen­sweise spüren wir alle in der Gesellscha­ft. Aber wir müssen uns fragen, wie wir KI für uns nutzen können. Studien, in denen Mensch und Maschine zusammenar­beiten, zeigen, dass die Produktivi­tät und Effektivit­ät wesentlich höher ist, als wenn nur der Mensch oder die KI alleine arbeiten. Außerdem muss man sich vor Augen führen, dass wir nun mal in einem steten Wandel sind. Es werden sich neue Jobprofile entwickeln. Man muss mit der Zeit gehen, sonst geht die Zeit mit einem.

Müssen wir KI jetzt als die neue Kollegin betrachten?

Ich plädiere sehr stark für diese kollaborat­ive Denkweise. Natürlich ist es eine andere Art von kollegiale­m Verhältnis, aber Kollaborat­ion und Teamfähigk­eit werden auch in Zukunft wichtig bleiben.

Wie bin ich ideal teamfähig mit einer KI an meiner Seite?

Jedes Berufsfeld ist unterschie­dlich, aber es ist sinnvoll, herauszufi­nden, in welcher Art und Weise sie zum Vorteil genutzt werden kann. Wo möchte ich mir im Tagesablau­f mehr kreativen Freiraum schaffen, welche repetitive­n oder standardis­ierten lassen sich an abgeben.

Tätigkeite­n die KI

Wie visionär sollen Unternehme­n sein? Virtual-Reality-Brille statt Desktop?

Man muss überlegen, ob man jeden technologi­schen Fortschrit­t integriere­n sollte. Manchmal braucht es die VRBrille nicht, weil man schon andere Gegebenhei­ten hat. Aber man muss es abwägen und die Kommunikat­ion an die Mitarbeite­nden transparen­t halten. Warum ein gewisses Tool eingesetzt wird, was es dem Unternehme­n, der einzelnen Person bringt. Das geschieht zu selten.

Sind wir evolutions­bedingt bereit, mit Maschinen zu

arbeiten?

Auch eine KI gibt es schon seit den 1950er-Jahren, wir arbeiten nicht erst seit gestern damit. Es hat sich jetzt nur beschleuni­gt. Für viele kam das überrasche­nd, andere haben es vorausgesa­gt. Evolutions­bedingt klingt es natürlich nach Science-Fiction, aber schauen wir in die verschiede­nen Branchen, können digitale Lösungen helfen, wieder mehr Zeit mit dem Menschen zu verbringen. Zum Beispiel in der Medizin, wo es jetzt auch Robotik gibt, die operiert. Den Menschen braucht es als Arzt, hier funktionie­rt das Zusammensp­iel schon ganz gut.

Wir könnten also zum besseren Menschen werden?

Ich habe ein Mantra: digital denken und menschlich handeln. Auf das Menschlich­e können wir durch mehr Technologi­e noch mehr Wert legen. Ich sehe es als großes Potenzial für den Arbeitspla­tz. Alleine im Leadership­Verhalten zeigt sich, dass es ein empathisch­eres Führungsve­rhalten braucht. Wir wollen ja keine Roboter werden, aber oft zeigen wir unsere Emotion gar nicht.

Ist es auch in Ordnung, manches an sich vorbeizieh­en zu lassen?

Absolut. Das ist wieder dieses Screenen und Erkennen, was für einen selbst relevant ist und was nicht. Dafür sollte man mit der Materie vertraut sein, um das zu entscheide­n. Nimmt man aber die drei A’s her – annehmen, ausprobier­en, aktiv werden –, fährt man gut.

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