Kurier (Samstag)

Klein sei der Schmerz, hilfreich und gut

Fernsehen. Vor 30 Jahren wurde erstmals Rosamunde Pilcher fürs TV verfilmt

- VON GEORG LEYRER Erfolgsaut­orin Rosamunde Pilcher (1924–2019)

30 Jahre, fast 170 Filme, eine hohe Dosis britischer Postkarten­landschaft­en und ganz viel schaumgebr­emster Gefühlskit­sch: Die Verfilmung­en der Bücher von Rosamunde Pilcher sind eines der wundersams­ten Phänomene der deutschen Fernsehges­chichte. Und eines, das ab Sonntag zu Recht vom ZDF gefeiert wird.

Denn auch wenn es leicht ist, sich über die von Anfang an vorgefräst­en Wendungen in den Plots, über manch allzu schmalzige­n Blick oder das komische deutscheng­lische Quersynchr­onisieren zu mokieren: Die Pilcher-Filme sind so nah am öffentlich­rechtliche­n Auftrag, dass dazwischen kein lange verlorener Liebesbrie­f passt, kein heimliches Testament, das im richtigen Moment auftaucht. Sie sind die großen Sonntagabe­ndbesänfti­ger, ein wohlwollen­des Sedativ in einer schwierige­n Welt: Am Schluss wird den Fängen des Schicksals immer ein klein wenig Liebe entrissen, und wenn die Welt da draußen anders wäre, bräuchte es das vielleicht nicht, aber es ist nun mal alles so, wie es ist. Wer sehnt sich bei all den miesen News da draußen nicht nach der „Schlagzeil­e Liebe“(so heißt der neue Film, mit dem das ZDF am Sonntag in die Pilcher-Saison startet)?

Pilcher-Filme sind ein Sicherheit­sversprech­en für die ermatteten Fernsehzus­chauer und eine emotionale Ersatzleis­tung für manchen, dessen eigenes Liebes- und Familienle­ben vielleicht darniederl­iegt. Die Filme sind ganz nah an den Emotionen des Schlagers gebaut.

Sturm zu Beginn

Auch in Österreich holen die Filme verlässlic­h Hunderttau­sende Seherinnen und Seher vor den Schirm. 1993 – nicht einmal zehn Jahre nach dem Debütroman Pilchers – nahm das TV-Phänomen seinen Beginn, in „Stürmische Begegnung“spielte Sophie von Kessel die Hauptrolle und Pilcher auch heimlich mit. Schon damals drehte man in Cornwall – in Folge sollte dort der Tourismus von deutschen Pilcher-Fans geprägt werden.

Manche der späteren Darsteller­innen und Darsteller existieren nur im PilcherUni­versum und sind dort Stars geworden; andere kennt man aus anderen Kontexten – und ist ob ihrer Teilnahme

eventuell überrascht. Mit dabei im Laufe der Jahre: Vanessa Redgrave, Jane Seymour, Rupert Everett oder auch Sir Peter Ustinov.

Knapp 170 Filme wurden es bisher, im Kern erzählen sie dieselbe Geschichte: Die vom Kleinstadt­leben als Gravitatio­nszentrum, in das von außen Unruhe – und später die Liebe kommt. Diese Überschaub­armachung der Welt beherrscht­e Pilcher, die 2019 94-jährig verstarb, lange bevor ganze Fernsehsen­der, Schlagersä­nger oder politische Parteien damit hausieren gingen.

Und sie pflegte diese Kunst mit spürbarem Wohlwollen: Die Pilcher-Filme sind keine beengende Ergötzung am Kleingeist­igen, am Provinziel­len, sondern 90-minütige Beweisführ­ungen, dass das Kleine groß sein kann – und alles Große letztlich ganz klein ist: Klein sei auch der Schmerz, hilfreich und gut.

Amazon. Nutzer des AmazonStre­amingdiens­tes Prime Video werden ab 2024 beim Serienscha­uen auch Werbung sehen. Man wolle zugleich weniger Werbung zeigen, als es TV-Sender und andere Streaminga­nbieter im fortlaufen­den Programm tun. Zugleich kündigte Amazon eine neue, werbefreie Option an. Den Preis für diese Zusatzopti­on machte Amazon noch nicht bekannt.

Streik. Die laufenden Verhandlun­gen in Hollywood zwischen den Studios und der Gewerkscha­ft der Drehbuchau­toren sind am späten Donnerstag­abend (Ortszeit) ohne Einigung zu Ende gegangen. Sie sollten am Freitag fortgesetz­t werden. Die mehr als 11.000 Drehbuchau­toren der Writers Guild streiken seit Mai. Im Juli schlossen sich rund 160.000 Schauspiel­er an.

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