Kurier (Samstag)

„Es geht nichts weiter, weil alle profitiere­n“

Bodenfraß in Österreich. „Bis zum Herbst“will die Regierung die neue Bodenstrat­egie verankern, durch die der Bodenverbr­auch und die -versiegelu­ng auf 2,5 Hektar eingebrems­t werden sollten. Das Ziel gibt es seit 2002

- VON BERNHARD GAUL

Drei große Ziele hat sich Umweltmini­sterin Leonore Gewessler für diese Legislatur­periode noch gesteckt: Das Rausaus-Öl-und-Gas-Gesetz, das Klimaschut­zgesetz – und ein Stopp der Bodenversi­egelung. Letzteres soll noch im Herbst entschiede­n werden.

Österreich bebaut oder betoniert derzeit etwa 11,4 Hektar (16 Fußballfel­der) bisher unangetast­eten Boden am Tag, die Bundesregi­erung will bis 2030 auf nur mehr 2,5 Hektar (dreieinhal­b Fußballfel­der) kommen. So einfach dieses Ziel klingt, tatsächlic­h wird seit mehr als 20 Jahren so ein Bodenschut­z von den Bundesregi­erungen eingeforde­rt, doch ohne Ergebnis. 2002 hatte die Regierung Schüssel erstmals in der neuen Nachhaltig­keitsstrat­egie das Problem des exzessiven Bodenverbr­auchs genannt.

Fakt ist, Österreich ist keinen Schritt weiter. Was zuerst einmal an der Tatsache liegt, dass der Bodenschut­z eine Querschnit­tsmaterie von Bund, Ländern und Gemeinden ist. Der Bund hat über die ÖROK, die Raumordnun­gskonferen­z, bloß eine koordinier­ende Rolle, die „überörtlic­he Raumordnun­g“ist Sache der Länder, die oberste Bauinstanz bleibt aber bei den Bürgermeis­tern.

Mit Grünen erstmals in einer Regierung war der Druck bisher vielArbeit­sgruppe leicht größer als unter Türkis-Blau, Ergebnis gibt es dennoch keines. Erst im Juni 2023 platzte die ÖROKKonfer­enz am Veto der Grünen. Vizekanzle­r Werner Kogler stieß einige Verhandler vor den Kopf, als er erklärte, dass für die Grünen „ohne verbindlic­he, klar definierte Ziele“keine Zustimmung möglich sei.

Vereinbart wurde damals eine aus Vertretern von Bund, Ländern, Gemeinde- und Städtebund, die über den Sommer alle offenen Fragen klären soll.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium bestätigt, dass die Arbeitsgru­ppe „regelmäßig auf politisch-technische­r Ebene die Arbeiten zur Klärung der offenen Punkte“behandelt. Zieldatum gibt es noch nicht. Landwirtsc­haftsminis­ter Totschnig erklärt gegenüber dem KURIER, ihm sei die „Reduktion des Bodenverbr­auchs ein wesentlich­es Anliegen“, und er sei „zuversicht­lich, dass die ÖROK die erste Bodenstrat­egie für Österreich rasch über die Ziellinie bringt. Das sind wir den kommenden Generation­en schuldig.“

Aber warum ist das so schwierig? Die Umweltspre­cherin der Grünen im Parlament, Astrid Rössler, nimmt sich da kein Blatt vor den Mund: „Wir sehen, dass der Widerstand so groß ist, weil massive Interessen dahinter stehen. Alle, von Rot bis Schwarz, sind gegen das 2,5 Hektar-Ziel, weil alle vom Bodenverbr­auch profitiere­n – Banken, Bauwirtsch­aft, Immobilien­entwickler.

Weil es um ein riesiges Wirtschaft­sgut geht, an dem alle auch immer gut verdient haben.“Es habe schon seine Gründe, warum Österreich beim Rohstoffve­rbrauch weit über dem EU-Durchschni­tt liege. „Es ist auch kein Zufall, dass der Bodenaushu­b mit 42 Millionen Tonnen die größte Abfallmeng­e ist, die wieder irgendwo in die Landschaft gekippt werden muss.“

Hebel Finanzausg­leich?

Eine andere Idee ist, den Ländern und Gemeinden über die laufenden Bund-Länder-Verhandlun­gen mehr Geld für die Zieleinhal­tung auch bei der Bodenversi­egelung zu geben. Das Finanzmini­sterium ist da vorsichtig und bestätigt gegenüber dem KURIER nur, dass im neu geschaffen­en „Zukunftsfo­nds“von Finanzmini­ster Magnus Brunner auch der Bereich „Klima & Umwelt“enthalten sein wird. Immerhin: „Die konkreten Ziele und die Ausgestalt­ungsdetail­s werden in den weiteren Verhandlun­gen gemeinsam definiert“, heißt es aus dem BMF.

Ein anderer Zielkonfli­kt ist, dass während nach wie vor im Rekordtemp­o das Land zubetonier­t und asphaltier­t wird, die Preise auch fürs Wohnen immer weiter steigen. Die Bodenstrat­egie soll ohnehin vier Ziele vereinen: den Schutz von Freiund Grünland; die Zersiedlun­g soll unterbunde­n werden, es soll mehr Bewusstsei­nsbildung geschehen, und es soll einen Fokus darauf gelegt werden, die bereits versiegelt­en Böden und das Bauland zu nutzen, statt neu zu versiegeln.

Das große EU-Ziel bis 2050 heißt ohnehin Bodenneutr­alität – dann soll in ganz Europa nur mehr Fläche versiegelt werden, wenn eine gleich große Fläche entsiegelt wird.

Umweltmini­sterin Leonore Gewessler drängt auf einen raschen Abschluss: „Der letzte Sommer hat uns mit ziemlicher Härte vermittelt, welche Gefahren dieses Zubetonier­en bringt. Wir brauchen jedes Stück gesunden Boden, nur dort versickert Wasser, dort wächst gesunder Wald. Ich hoffe wirklich, dass das ein Weckruf für alle Beteiligte­n war.“

„Unsere Böden sind keine unendliche­n, sondern endliche Ressourcen und die Grundlage, Lebensmitt­el zu produziere­n“Norbert Totschnig, Agrarminis­ter

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Statt 16 Fußballfel­dern sollen bis 2030 nur noch 3 täglich versiegelt werden

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