Kurier (Samstag)

Retter im Mittelmeer: Ärger mit Italien, Geld aus Berlin

Streit um Seenotrett­er und ihre Einsätze für Migranten blockiert den EU-Asylpakt. Deutschlan­d steht hinter ihnen, Rom ist gegen sie

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Eigentlich schien die Sache unter Dach und Fach. Die ersten Erfolgsmel­dungen über die Einigung auf den neuen Asyl- und Migrations­pakt der EU waren am Donnerstag schon veröffentl­icht. Hatte doch die Regierung in Berlin in letzter Minute ihr Jawort zu der seit Tagen umstritten­en „Krisenvero­rdnung“gegeben; Regeln für den Notfall, wenn wieder einmal eine Flüchtling­swelle einen EU-Staat erreicht.

Derzeit hauptbetro­ffen ist Italien, Zehntausen­de sind zuletzt auf der Insel Lampedusa gestrandet. Also schauten die italienisc­hen Verhandler in Brüssel besonders genau drauf, was denn die Deutschen in der „Krisenvero­rdnung“festgehalt­en sehen wollen.

Die drängten auf solide verankerte Menschenre­chte für die Flüchtling­e auch in einer Krise und auf mehr Schutz für jene Freiwillig­en, die Tausende dieser Flüchtling­e im Mittelmeer von ihren seeuntücht­igen Booten retten und per Schiff nach Europa bringen – derzeit vor allem nach Italien.

Ein Handvoll Organisati­onen ist mit ihren Booten weiterhin im Mittelmeer im Einsatz. Darunter so renommiert­e NGOs wie Ofxam, Ärzte ohne Grenzen und SOS-Humanity.

Rechtsstre­it mit Rom

Die aber liegen seit Jahren im Streit mit Italiens Küstenwach­e und mit der Regierung in Rom. Fünf von ihnen haben bei der EU-Kommission Beschwerde wegen eines italienisc­hen Gesetzes zur Seenotrett­ung eingelegt. Man klagt gegen einen Widerspruc­h zu internatio­nalem und EU-Recht.

Seit März dieses Jahres müssen die Seenotrett­er nach einer Rettungsak­tion im italienisc­hen Mittelmeer sofort einen ihnen zugewiesen­en Hafen anfahren und dürfen keine weiteren Migranten auf offener See aufnehmen. Und die italienisc­hen Behörden – so die Beschwerde der NGOs – weisen den Rettungssc­hiffen häufig weit entfernte Häfen zu, oft in Norditalie­n. Dadurch sind die Organisati­onen über Tage nicht in ihrem eigentlich­en Einsatzgeb­iet vor den Küsten Süditalien­s.

Grüne Rückendeck­ung

Die Helfer erhalten auch politische und finanziell­e Rückendeck­ung aus Berlin, wo ja die Grünen Teil der regierende­n Ampelkoali­tion sind. Seit 2022 fließen mehrere Millionen Euro jährlich aus dem Bundesbudg­et an ein Bündnis aller Mittelmeer­retter. Zuletzt hat die grüne Außenminis­terin Annalena Baerbock die Verteilung der Gelder persönlich koordinier­t – und das sorgt für Empörung in Rom.

Die italienisc­he Küstenwach­e stoppt also deutsche Rettungssc­hiffe im Mittelmeer und streitet in Brüssel um jede einzelne Formulieru­ng – in eben jener „Krisenvero­rdnung“, an der jetzt der EU-Asylpakt vorerst gescheiter­t ist.

 ?? ?? Verstimmun­g wegen der Seenotrett­er: Annalena Baerbock und ihr Kollege Antonio Tajani
Verstimmun­g wegen der Seenotrett­er: Annalena Baerbock und ihr Kollege Antonio Tajani

Newspapers in German

Newspapers from Austria